Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
den Nachdruck nicht auf die reinen Ereignisse legen; denn die unnatürliche Überspanntheit dieser Ereignisse läßt sie hohl und absurd erscheinen, wenn sie zu sehr hervortreten. Solche Ereignisse, selbst wenn sie in Zukunft theoretisch möglich oder vorstellbar sind, haben keine Entsprechung und keine Grundlage im tatsächlichen Leben und in der menschlichen Erfahrung, daher können sie niemals das Fundament einer ausgereiften Geschichte bilden. Alles, was eine Wundergeschichte auf ernsthafte Weise je sein kann, ist das lebendige Bild einer bestimmten menschlichen Stimmung.
    Sobald sie versucht, etwas anderes zu sein, gleitet sie ab ins Billige, Kindische, dem jegliche Überzeugungskraft fehlt. Daher sollte der Autor phantastischer Literatur darauf achten, daß die treibende Kraft die raffinierte Andeutung ist - die kaum wahrnehmbaren Andeutungen und Züge ausgesuchter und assoziationsreicher Einzelheiten, die Gefühlsschattierungen ausdrücken und die vage Illusion der seltsamen Wirklichkeit des Unwirklichen aufbauen - und nicht reine Häufungen
    unglaublicher Ereignisse, die abgesehen von dem sie bestimmenden Kolorit und den Stimmungssymbolismen weder Substanz noch Bedeutung haben. Eine ernsthafte, ausgereifte Geschichte muß in einem bestimmten Aspekt lebenswahr sein.
    Da Wundergeschichten nicht in bezug auf die Ereignisse lebenswahr sein können, müssen sie einen Aspekt betonen, den sie als wahr schildern können, nämlich gewisse sehnsüchtige oder rastlose Stimmungen des Menschengeistes, in denen er sich aus Fäden des Altweibersommers Fluchtleitern aus der quälenden Tyrannei von Zeit, Raum und Naturgesetz zu weben sucht.
    Und wie lassen sich diese allgemeinen Prinzipien einer ausgereiften Literatur des Wunders auf die interplanetarische Geschichte im besonderen anwenden? Daß man sie anwenden kann, daran läßt sich nicht zweifeln. Die wichtigen Faktoren sind hier wie an anderer Stelle ein entsprechender Sinn für das Wunder, entsprechende Gemütsäußerungen bei den handelnden Personen, Realismus im Milieu und in den Rahmenereignissen, Sorgsamkeit bei der Auswahl entscheidender Einzelheiten und die gewissenhafte Vermeidung abgedroschener künstlicher Charaktere und dummer konventioneller Ereignisse und Situationen, die auf der Stelle die Lebensfähigkeit einer Geschichte zerstören, indem sie sie als Produkt ausgeleierter Massenproduktion ausweisen. Es ist die ironische Wahrheit, daß keine künstlerische Geschichte dieser Art: aufrichtig, ehrlich und unkonventionell geschrieben, eine Chance hätte, von den Lektoren der gewöhnlichen Groschenheftrichtung angenommen zu werden. Das wird jedoch den wirklich entschlossenen Künstler, der etwas Ausgereiftes schaffen will, nicht abschrecken können. Es ist besser, redlich für eine Zeitschrift zu schreiben, die keine Honorare zahlt, als für Geld wertloses Zeug zusammenzuschustern. Eines Tages werden die Anforderungen der Herausgeber billiger Zeitschriften vielleicht weniger flagrant absurd in ihrer antikünstlerischen Starrheit.
    Die Ereignisse einer interplanetarischen Geschichte -
    abgesehen von Geschichten, bei denen es sich um rein dichterische Phantasieflüge handelt - spielen am besten in der Gegenwart oder werden so dargeboten, als hätten sie sich insgeheim oder in prähistorischen Zeiten in der Vergangenheit zugetragen. Die Zukunft ist für die Darstellung eine heikle Zeitspanne, denn es ist nahezu unmöglich, bei der Schilderung zukünftiger Lebensweise nicht ins Groteske und Absurde zu geraten, und die Gestalten büßen immer stark an
    Empfindsamkeit ein, wenn man sie als mit den geschilderten Wundern vertraut darstellt. Die Personen einer Geschichte sind im Grunde Projektionen unserer selbst, und es ist ein unleugbarer Nachteil, wenn sie nicht unser eigenes Nichtwissen und unser Staunen über die Ereignisse teilen können. Damit sei nicht gesagt, daß Geschichten von der Zukunft nicht künstlerisch sein können, sondern bloß, daß es schwieriger ist, sie künstlerisch anzulegen.
    In einer guten interplanetarischen Geschichte muß es realistische menschliche Gestalten geben, nicht die Klischee-Wissenschaftler, schurkischen Assistenten, unbesiegbaren Helden und die liebliche Heldin, des Wissenschaftlers Töchterlein, wie im üblichen Schund dieser Art. Wahrhaftig, es gibt keinen Grund, warum es überhaupt einen »Schurken«,
    »Helden« oder eine »Heldin« geben sollte.
    Diese künstlichen Charaktertypen gehören völlig künstlichen Fabelformen an

Weitere Kostenlose Bücher