Azazel
nachdem sie ihn gestillt hatte und das Kleid wieder zurechtrückte. So etwas verbindet.
»Wärst du glücklicher, teurer Freund, wenn du ihr Interesse wecken könntest?« fragte ich.
»Ich wäre im siebten Himmel«, sagte er nur.
Konnte ich ihm den siebten Himmel verwehren? Ich trug Azazel die Angelegenheit vor, der wie üblich mürrisch reagierte. »Hättest du nicht einen Diamanten verlangen können?« fragte er. »Ich kann dir einen hübschen Halb-karäter reinsten Wassers machen, indem ich die Atome in einem Stück Kohle umgruppiere - aber unwiderstehliche Wirkung auf Frauen? Wie soll ich das anstellen?«
»Könntest du nicht ein paar Atome in ihm umgruppieren?« fragte ich, um behilflich zu sein. »Ich möchte etwas für ihn tun, und sei es nur aus Respekt vor dem ehrfurchtgebietenden nahrungsspendenden Apparat seiner Mutter.«
»Gut, laß mich nachdenken! Menschen«, sagte Azazel, »sondern Pheromone ab. Mit eurer modernen Neigung, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu baden und euch mit Duftwässerchen zu überschütten, kennt ihr natürlich kaum noch die natürliche Methode, romantische Gefühle zu erzeugen. Ich kann die Biochemie deines Freundes möglicherweise so verändern, daß die Produktion ungewöhnlicher Mengen eines ungewöhnlich wirksamen Pheromons angeregt wird, sobald das Ebenbild eines der mißgestalten Weibchen eurer höchst abstoßenden Gattung auf seinen Netzhäuten abgebildet wird.«
»Du meinst er wird stinken?«
»Keineswegs. Es wird kaum als bewußter Geruch an die Oberfläche dringen, aber seine Wirkung auf die Weibchen eurer Gattung in Form eines unterschwelligen atavistischen Verlangens zu lächeln und Kontakt zu suchen, nicht verfehlen. Die Frau wird möglicherweise so stimuliert sein, daß sie als Antwort eigene Pheromone ausstößt, und ich gehe davon aus, daß dann alles seinen natürlichen Gang gehen wird.«
»Dann soll es so geschehen«, sagte ich, »denn ich bin sicher, der junge Theophilus wird sich ins rechte Licht setzen können. Er ist ein Prachtkerl voller Elan und Ehrgeiz.«
Daß Azazels Behandlung wirkte, fand ich heraus, als ich Theophilus das nächste Mal über den Weg lief. Es war in einem Straßencafe.
Ich brauchte einen Moment, bis ich ihn sah, denn zuerst weckte eine Gruppe junger Frauen, die sich in kreisförmiger Symmetrie zusammengefunden hatten, meine Aufmerksamkeit. Zum Glück verfehlen junge Frauen ihre Wirkung auf mich, da ich das Alter der Zurückhaltung erreicht habe, aber es war Sommer und sie zeichneten sich, eine wie die andere, durch einen wohlberechneten Mangel an textiler Körperbedeckung aus, den ich - wie es einem Mann der Zurückhaltung gebührt - mit der zu Gebote stehenden Diskretion betrachtete.
Erst nach mehreren Minuten, während denen ich, wie ich mich entsinne, Spannung und Belastung eines Knopfs beobachtete, der eine bestimmte Bluse geschlossen hielt, und darüber spekulierte, ob ... Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Erst nach ein paar Minuten bemerkte ich, daß es kein anderer als Theophilus war, der im Mittelpunkt dieser kreisförmigen Schar saß und der Leitstern dieser sommerlich leicht geschürzten Weiblichkeit zu sein schien. Zweifellos verstärkte die Wärme des Nachmittags seinen Pheromonausstoß noch.
Ich bahnte mir einen Weg in den Ring der Damenwelt und setzte mich mit väterlichem Lächeln, Augenzwinkern und einem gelegentlichen onkelhaften Schultertätscheln auf einen Stuhl neben Theophilus, den ein einnehmendes Mägdlein mit einem quengeligen Schmollen für mich frei gemacht hatte. »Theophilus, mein junger Freund«, sagte ich, »dies ist ein charmanter und anregender Anblick.«
Da bemerkte ich das verhaltene Stirnrunzeln einer beängstigenden Traurigkeit in seinem Gesicht. »Was ist denn?« fragte ich besorgt Er sprach mit fast reglosen Lippen und so leise flüsternd, daß ich ihn kaum verstand. »Um Gottes willen, schaff mich hier raus.«
Ich bin, wie du wohl weißt, ein Mann mit grenzenlosem Erfindungsreichtum. Es kostete mich nur einen Augenblick, aufzustehen und zu sagen: »Meine Damen, mein junger Freund hier muß infolge eines grundlegenden biologischen Bedürfnisses die Herrentoilette aufsuchen. Bleiben Sie alle sitzen, er wird gleich wieder hier sein.«
Wir betraten das kleine Cafe und verließen es durch die Hintertür. Eine der jungen Damen, die einen Bizeps hatte, der sich höchst unschön wölbte, und eine gleichermaßen unschöne mißtrauische Ader, war zur Rückseite des Restaurants
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