Azazel
gegangen, aber wir sahen sie gerade noch rechtzeitig und schafften es zu einem Taxi. Sie verfolgte uns erschreckend leichtfüßig zwei Häuserblocks weit.
In Theophilus' sicherer Wohnung angelangt, sagte ich: »Theophilus, du hast ganz unverkennbar das Geheimnis entdeckt, junge Frauen anzuziehen. Ist das nicht der siebte Himmel, den du dir gewünscht hast?«
»Nicht ganz«, sagte Theophilus, der sich langsam in der vollklimatisierten Kühle entspannte. »Sie behüten einander. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber mir fiel vor einiger Zeit plötzlich auf, daß sich mir fremde junge Damen näherten und mich fragten, ob wir uns nicht in Atlantic City begegnet wären. Ich war in meinem ganzen Leben«, fügte er indigniert hinzu, »noch nie in Atlantic City.
Kaum hatte ich das verneint, da kam eine andere und behauptete, ich hätte soeben ein Taschentuch verloren, das sie mir gern wiedergeben wollte, und dann kam eine dritte und sagte: >Möchtest du gern Filmschauspieler werden, mein Junge?<«
Ich sagte: »Du mußt nur eine auswählen. Ich würde die nehmen, die dich zum Filmstar machen wollte. Das ist ein leichtes Leben, und du wärst immer von jungen Starlets umgeben.«
»Aber ich kann keine auswählen. Sie belauern sich wie Falken. Sobald ich eine zu bevorzugen scheine, fallen die anderen über sie her, ziehen sie an den Haaren und vertreiben sie. Ich bin so unbeweibt wie ehedem, aber früher mußte ich sie wenigstens nicht ständig anstarren, während sie mir ihre Brüste entgegenreckten.«
Ich seufzte vor Mitgefühl. »Warum machst du keinen Ausscheidungswettkampf daraus?« fragte ich. »Wenn du wieder von Damen umzingelt bist, so wie eben, sagst du zu ihnen: >Meine Teuersten, ich fühle mich zutiefst zu jeder einzelnen von Ihnen hingezogen. Aus dem Grund bitte ich Sie, sich in alphabetischer Reihenfolge aufzustellen, damit mich alle nacheinander küssen können. Wer mich mit der größten Inbrunst küßt, wird mein Gast für die Nacht sein.< Schlimmstenfalls wirst du jede Menge williger Küsse abbekommen.«
»Hm«, sagte Theophilus. »Warum nicht? Die Siegerin bekommt den Preis, und ich hätte keine Einwände dagegen, der Preis der rechtmäßigen Siegerin zu sein.« Er leckte sich die Lippen, schürzte sie und hauchte zur Übung Küsse in die Luft. »Ich glaube, das würde ich schaffen. Glaubst du, es wäre nicht zu anstrengend, wenn beim Küssen alle die Hände hinter dem Rücken verschränken müssen?«
»An sich nicht, werter Theophilus«, sagte ich. »Du solltest schon bereit sein, eine gewisse Anstrengung dafür auf dich zu nehmen. Ich glaube, >Erlaubt ist, was gefällt< wäre die bessere Regel.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Theophilus, der nie auf einem Standpunkt beharrte, wenn jemand wie ich, der über allergrößte Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt, ihn eines Besseren belehrt.
Etwa um diese Zeit mußte ich die Stadt aus geschäftlichen Gründen verlassen, daher sah ich Theophilus erst nach etwa einem Monat wieder. Es war in einem Supermarkt, wo er einen Einkaufswagen schob, der nicht eben kärglich mit Lebensmitteln bestückt war. Sein Gesichtsausdruck traf mich zutiefst. Er war ein Gejagter, der ständig hierhin und dorthin sah.
Ich ging zu ihm, und er duckte sich mit einem erstickten Schrei. Doch dann erkannte er mich und sagte: »Gott sei Dank - ich dachte schon, du wärst eine Frau.«
Ich schüttelte den Kopf. »Immer noch dieses Problem? Hast du den Ausscheidungswettbewerb nicht durchgeführt?«
»Ich hab's versucht. Das war das Problem.«
»Was ist passiert?«
»Na ja -« Er sah hierhin und dorthin und ging dann zur Seite und spähte einen Gang hinab. Als er sich vergewissert hatte, daß die Luft rein war, sprach er hastig und mit leiser Stimme, wie jemand, der weiß, daß die Zeit knapp und Diskretion das Gebot der Stunde ist.
»Ich habe es arrangiert«, sagte er. »Ich ließ sie Anmeldungen mit Alter, Marke ihrer Zahnpasta, Referenzen - das übliche - ausfüllen, und dann legte ich das Datum fest. Als Austragungsort hatte ich den großen Ballsaal des Waldorf-Astoria ausgewählt, für ausreichend Lippencreme gesorgt, einen hauptberuflichen Masseur angeheuert, der mich fit halten sollte, und eine Sauerstofflasche bereitgestellt. Aber am Tag vor dem Wettkampf kam ein Mann in mein Apartment.
Ich sage ein Mann, aber in meinem Schrecken kam er mir mehr wie ein wandelnder Erdrutsch vor, einen Meter neunzig groß, einsfünfzig breit und Fäuste wie Vorschlaghämmer. Er
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