Azazel
und sie sagt, sie findet das abstoßend.«
»Ich nehme an, sie ist nicht besonders sportlich?«
»Nicht im mindesten. Sie schwimmt«, er verzog das Gesicht, als würde er sich daran erinnern, wie er im zarten Alter von drei Jahren durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbelebt wurde, »aber das macht die Sache auch nicht besser.«
»Wenn das so ist«, sagte ich besänftigend, »dann vergiß sie, Septimus. Frauen sind nicht so schwer zu finden. Die eine geht, die nächste kommt. Es gibt viele Fische im Meer und Vögel in der Luft. Im Dunkeln sind sie alle gleich. Ob diese Frau oder eine andere, das spielt doch keine Rolle.«
Ich hätte endlos weiterreden können, aber er schien seltsam unruhig zu werden, während er mir zuhörte, und einen Einfaltspinsel sollte man nicht beunruhigen.
Septimus sagte: »Aber George, deine Ansichten kränken mich zutiefst. Mercedes ist für mich das einzige Mädchen auf dieser Welt. Ohne sie könnte ich nicht leben. Sie ist untrennbar verbunden mit meinem innersten Selbst. Sie ist der Hauch meiner Lungen, das Schlagen meines Herzens, das Licht meiner Augen. Sie -«
Er wollte gar nicht mehr aufhören, und es schien ihn nicht im geringsten zu kümmern, daß er mich mit seinen Ansichten zutiefst kränkte.
Er sagte: »Ich sehe also keinen anderen Ausweg, als sie zu heiraten.«
Mit diesen Worten nahm das Verhängnis seinen Lauf. Ich wußte genau, was geschehen würde. Sobald sie geheiratet hatten, wäre es mit meinem Paradies vorbei. Ich weiß nicht warum, aber frischgebackene Ehefrauen bestehen grundsätzlich darauf, daß unverheiratete Freunde ihren Abschied nehmen. Ich würde nie wieder auf Septimus' Landsitz eingeladen werden.
»Das kannst du nicht machen«, sagte ich bestürzt.
»Oh, ich gebe zu, es ist ein folgenschwerer Schritt, aber ich denke, ich werde es schaffen. Ich habe mir schon etwas ausgedacht. Mercedes mag mich für einen Einfaltspinsel halten, aber ich bin nicht vollkommen verblödet. Ich werde sie Anfang des Winters auf meinen Landsitz einladen. Dort, in der Ruhe und Harmonie meines kleinen Eden, wird sich ihr ganzes Wesen öffnen, und sie wird die wahre Schönheit meiner Seele erkennen.«
Ich war der Meinung, daß er sich von Eden eindeutig zuviel versprach, doch ich sagte: »Du wirst ihr doch nicht etwa zeigen, wie du über den Schnee gleiten kannst, oder?«
»Nein, nein«, erwiderte er. »Erst wenn wir verheiratet sind.«
»Selbst dann -«
»Unsinn, George«, sagte Septimus vorwurfsvoll. »Eine Ehefrau ist die bessere Hälfte ihres Mannes. Einer Ehefrau kann man die tiefsten Geheimnisse seiner Seele anvertrauen. Eine Ehefrau -«
Erneut erging er sich in endlosen Reden, und alles, was ich tun konnte, war, mit schwacher Stimme zu erwidern: »Der CIA wird das nicht gefallen.«
Seiner knappen Bemerkung über die CIA würden die Sowjets sicher von ganzem Herzen zustimmen. Kuba und Nicaragua ebenso.
»Ich werde sie irgendwie dazu überreden, Anfang Dezember mit mir zu kommen«, sagte er. »Ich nehme an, du hast Verständnis dafür, George, daß wir beide allein sein wollen. Ich weiß, du würdest nicht im Traum daran denken, den romantischen Möglichkeiten, die die friedliche Einsamkeit der Natur für mich und Mercedes bereit hält, im Wege zu stehen. Die Stille und das langsame Verstreichen der Zeit wird uns sicher auf unwiderstehliche Weise zusammenführen.«
Natürlich erkannte ich das Zitat. Diesen Satz spricht Macbeth, kurz bevor er Duncan mit dem Dolch ersticht, aber ich starrte Septimus nur kalt und würdevoll an. Einen Monat später begleitete Miss Gumm Septimus tatsächlich auf seinen Landsitz, und ich mußte zu Hause bleiben.
Was auf dem Landsitz geschehen ist, habe ich nicht mit eigenen Augen gesehen. Ich weiß nur das, was Septimus mir erzählt hat, deshalb kann ich nicht für alle Einzelheiten bürgen.
Miss Gumm war tatsächlich eine Schwimmerin, aber da Septimus eine unüberwindliche Abneigung gegen dieses spezielle Hobby verspürte, stellte er ihr keine weiteren Fragen dazu. Und Miss Gumm hielt es offenbar nicht für notwendig, einem Einfaltspinsel von sich aus weitere Einzelheiten darüber zu erzählen. Daher hatte Septimus nie herausgefunden, daß Miss Gumm eine jener Verrückten war, die sich gern mitten im Winter einen Badeanzug anziehen, auf einem See ein Loch ins Eis hacken und ins eiskalte Wasser springen, um ein gesundes und belebendes Bad zu nehmen.
So kam es, daß Miss Gumm an einem klaren und frostigen Morgen aufwachte, während
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