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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bremer schadenfroh. Aber er ließ sich nichts von seinen wahren Gefühlen anmerken, sondern schüttelte nur wieder den Kopf und sagte: »Ich habe keine Ahnung, was wir hier tun. Vielleicht kannte er ihn ja persönlich. Er hat einen Fahrer gesucht, und ich hatte einfach das Pech, gerade im Weg herumzustehen. Sieht nach ein paar unbezahlten Überstunden aus«, fügte er noch hinzu.
    Seine Worte schienen immerhin überzeugend genug zu klingen, um die Neugier des anderen zu befriedigen, wenigstens für den Moment. Bremer gab ihm auch keine Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen, sondern ließ ihn stehen und schlenderte ziellos durch die Wohnung, soweit dies in der hier herrschenden Enge überhaupt möglich war. Sendig stand neben dem zerbrochenen Fenster und redete abwechselnd mit zwei Kriminalbeamten und einem heruntergekommenen dürren Kerl, dem das schlechte Gewissen regelrecht ins Gesicht gebrannt war und der so sehr in diese Umgebung paßte, als wäre dieses Haus eigens für ihn gebaut worden – und zwar in dem Zustand, in dem es sich jetzt befand. Das mußte der Zeuge sein, von dem der junge Beamte gesprochen hatte. Bremer fand nicht, daß er sehr vertrauenerweckend aussah. Oder gar glaubhaft.
    Er beendete seine ohnehin eher ziellose Inspektion der Wohnung in einem winzigen Verschlag unter der Dachschräge, den er von außen für eine Abstellkammer gehalten hatte. Als er die Tür öffnete, erlebte er eine Überraschung - der Raum war zwar winzig, entpuppte sich aber als komplett eingerichtete Dunkelkammer. Unter der Decke brannte eine e inzelne rote Lampe, in deren trübem Schein er im allerersten Moment nur Umrisse erkannte. Aber immerhin sah er, daß auch hier ein ziemliches Chaos herrschte. Mogrod hatte auch hier ganze Arbeit geleistet. Fotoschalen und Flaschen waren vom Tisch gerissen worden, der Belichter umgeworfen und Glas zerbrochen. Ein scharfer Chemikaliengeruch stieg ihm in die Nase, und auf dem Boden glänzte eine ölige Pfütze: Wasser, Entwickler und Fixierflüssigkeit, die ineinandergelaufen waren und in denen großformatiges Fotopapier schwamm, das im tiefsten Schwarz glänzte, das man sich nur vorstellen konnte.
    Bremers Augen weiteten sich erstaunt, als sein Blick auf die Bilder fiel, die an die Wand neben der Tür geheftet waren. Selbst in dem schwachen Licht, das hier drinnen herrschte, erkannte er sofort, was sie zeigten: Löbachs zerschmetterten Leichnam, den Menschenauflauf vor seinem Haus, den Krankenwagen - und auf einem Bild ihn selbst und einen schreckensbleichen Hansen, der zumindest auf dieser Fotografie nicht sehr viel lebendiger aussah als Löbach, und schließlich sogar eine Aufnahme von Sendig, wie er gerade aus dem Wagen stieg.
    Aber das war nur die Hälfte der Fotos. Die andere Hälfte zeigte Löbachs Apartment. Wie immer er es auch fertiggebracht hatte - irgendwie war es dem Journalisten gelungen, in die strengbewachte Wohnung einzudringen und einen ganzen Film zu verschießen.
    Ganz plötzlich verlor für Bremer die Theorie von Mogrods Selbstmord sehr viel von ihrer Glaubhaftigkeit. Für diese Bilder hätte jedes Revolverblatt in der Stadt eine fünfstellige Summe bezahlt - eine Menge Geld, vor allem für jemanden, der in einem solchen Loch hauste. Warum zum Teufel sollte er sich umbringen, mit einem solchen Kapital?
    Bremer fuhr herum, beugte sich halb aus der Tür und versuchte mit heftigem Gestikulieren Sendigs Aufmerksamkeit zu erregen. Die einzige Reaktion bestand jedoch aus einem ärgerlichen Blick eines der Männer von der Spurensicherung, der ihn lautstark anfuhr: »He, was tun Sie dort drinnen? Da sind wir noch nicht fertig!«
    »Schon in Ordnung.« Sendig hob besänftigend die Hand und schenkte dem Mann seine Version eines freundlichen Lächelns. »Der Mann gehört zu mir. Warten Sie einen Moment, Bremer. Ich komme gleich. Und tun Sie Ihren Kollegen den Gefallen und rühren nichts an, okay?«
    »Sicher.« Bremer zog sich hastig wieder in die Dunkelkam mer zurück, ehe ihn die wütenden Blicke des Beamten von der Spurensicherung zur Salzsäule erstarren lassen konnten. Er war mit einem Male sehr aufgeregt. Diese Geschichte hatte erschreckend angefangen, war mysteriös weitergegangen und es auch bisher geblieben, aber allmählich begann sie sich von einer Gespenstergeschichte in etwas zu verwandeln, von dem er wirklich etwas verstand: einen Kriminalfall. In einem hatte Sendig vollkommen recht gehabt: Nichts von allem, was bisher geschehen war, war Zufall. Es gab eine

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