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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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galt anderen. »Seine Familie hat seit Jahrhunderten dort gelebt, wahrscheinlich stammt sie direkt von dem Alben ab, der in diesem Baum gelebt hat. Na ja, kein Wunder, dass Peking da durchdreht, wenn sie das Ding einfach so absägen, würde ich sagen, was?«
    Nachdenklich betrachtete sie den Mann, der vor ihr saß. Das war der Fluch der Plags. Wenn sie zu sehr mit dem Ort verbunden waren, an dem sie lebten, überstanden sie eine Veränderung nur schlecht. Kein Wunder also, dass so viele in Wagenburgen wohnten. So konnten sie weiterziehen, wenn es sein musste, und vermieden eine allzu starke Bindung.
    »Weißt du, wovon er redet?«
    »Keine Ahnung. Seit Tagen führt er sich so auf, aber keiner versteht, was er will.« Mo wandte sich ihr zu. »Vergiss es einfach!«
    »Na schön.« Als sie Mo so vor sich sah, fiel ihr plötzlich noch etwas anderes ein. »Sag mal, Kleiner, du bist mir nicht zufällig gestern Abend gefolgt, oder?«
    Er antwortete nicht, grinste sie nur an und zuckte dann mit den Schultern.
    »Das nächste Mal werde ich besser aufpassen«, versprach sie. »Was hält denn dein Vater davon, wenn du dich nachts draußen rumtreibst?«
    Er prustete los. »Oh bitte. Das war nicht sehr elegant. Hör mal, Hexe, wenn du wissen willst, ob Tom mein Vater ist, warum fragst du nicht einfach?«
    Vor Scham wäre sie gern im Boden versunken. Offenbar war sie nicht nur leicht berechenbar, sondern auch noch leicht zu durchschauen. Von einem Teenager.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Klar.« Sein Gesicht zeigte unverhohlene Überheblichkeit, die mehr seinem Alter als seiner Herkunft geschuldet war. »Kann ich mal wieder vorbeikommen, um mir den Papagei anzusehen?«
    »Vergiss es!« Sie schob die Maschine an, während er laut lachte und sich mit zwei Fingern an eine imaginäre Hutkrempe tippte, bevor er Richtung Ausgang davonrannte. Nach ein paar Metern blieb er jedoch stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Ach, Babel, er ist es übrigens nicht.«
    »Was?«
    »Mein Vater. Sonst hätte er ziemlich früh anfangen müssen, findest du nicht?« Ein letztes Grinsen, und weg war er.
    Kopfschüttelnd sah sie ihm nach, aber sie hatte dringendere Probleme als den mangelnden Respekt eines Halbwüchsigen. Sie musste zum Beispiel überlegen, was genau sie Karl erzählen sollte.
    Der arme Kerl musste seinen Wagen später abholen, denn sie würde sich an diesem Tag sicher nicht noch einmal in die Nähe der Wagenburg begeben. Vielleicht sollte sie ihn dafür zum
    Essen einladen. Und nach dem dritten Glas Wein könnte sie ihm dann vorsichtig, sehr vorsichtig, beibringen, dass sie einen Auftrag angenommen hatte, der kein Geld, dafür aber ein Buch einbrachte und so etwas wie ihre gute Tat im Jahrzehnt darstellte. Sein begeistertes Gesicht konnte sie sich vorstellen.
    Während sie die Maschine über das Gelände schob, tauchten noch an so manchem Fenster Schatten auf, aber niemand machte sich die Mühe, mit ihr zu reden. Im Gegensatz zu Tom und Mo waren die anderen Plags offenbar daran interessiert, weiterhin Abstand zu der Hexe zu halten.
    Der junge Mann am Tor saß noch auf seinem Wagendach, und jetzt begriff Babel auch, dass er der Wachposten war. Bei seinem Anblick kehrte ein drückendes Gefühl in ihren Magen zurück, das sie nur zu gut kannte.
    Wo warst du zur Zeit der Morde, Sam?, dachte sie, als sie die Maschine auf die Straße rollte und den Motor startete. Wieder wurde sie sich des Briefs bewusst, der nach wie vor in der Innentasche ihrer Jacke steckte.
    Sie warf einen letzten Blick zurück. Es hätte ihr eine Genugtuung sein sollen, dass ausgerechnet die Plags ihre Hilfe suchten, aber beim Anblick der bunten Wagen überkam sie nur Bedauern und Wut. Sie war vielleicht kein Polizist, und mit Sicherheit war sie auch kein allzu guter Mensch, aber sie wollte diesen Toten ihre Sühne verschaffen.
    Was soll das werden? Sankt Babel?
    Die Stimme in ihrem Kopf hörte sich dieses Mal verdammt nach ihrer Schwester an. Sie hatte denselben irritierenden Tonfall.
    Was weißt du schon? Du glaubst immer noch, die Welt wäre ein einziger Süßwarenladen, der nur dazu da ist, dir schöne Dinge zu beschaffen.
    Ist sie das nicht?
    Nein, und wenn Babel nicht aufpasste, dann verwandelte sie sich ganz schnell in ein Schlachtfeld. Sie musste sich überlegen, wie sie den anderen Hexen auf den Zahn fühlen konnte, ohne dass sie das Gefühl hatten, Babel würde einen Krieg beginnen. Wahrscheinlich sollte sie sich so etwas wie einen Plan

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