Babel 1 - Hexenwut
Tür.
»Was hat die Kripo also?«
Erneut dauerte es einen Moment, bis er antwortete, so vertieft war er in den Anblick seines Stiftehalters. Als sie ihm auf die Schulter tippte, runzelte er die Stirn.
»Die Fallanalyse, guter Mann. Wie sieht der vermutliche Täter aus?«
»Oh, also ... Einzeltäter, männlich ... gewisse soziale Fähigkeiten.« Er hob die Hände. »Zwei der Opfer haben ihm die Tür geöffnet und ihn in die Wohnung gelassen. Wohnt vermutlich in der Stadt. Eher planender Typ. Das Warum fehlt... Das ist der Knackpunkt.«
»Was wird jetzt weiter unternommen?«
»Überprüfen Alibis ... Gibt viele Leute, die die Punks nicht leiden können.«
»Erzähl mir was Neues.«
»Ich gehe morgen ins Theater.«
»Äh, das meinte ich nicht.«
Verwirrt sah er sie an. Das musste bald ein Ende finden, Babel hatte vergessen, warum das Mittel für die lose Zunge in ihrem Schrank Staub angesetzt hatte. Im Grunde war es gut, wenn man von den Leuten nicht alles erzählt bekam, was ihnen durch den Kopf ging.
»Manchmal kommen sie wieder«, sagte er plötzlich.
»Der Film?« Sie konnte ihm nicht folgen, ungehalten schüttelte er den Kopf. »Serientäter. Die kommen manchmal an den Tatort zurück.«
»Es könnte sein, dass man den Täter so erwischt?«
»Naja... Der trägt ja kein Schild mit Ich war's ...«
»Aber eine Möglichkeit war's?«
Erneutes Nicken.
»Was ist Ihre persönliche Einschätzung?«
»Entdeckt sie nicht zufällig. Der kannte die bereits. Instinkt.« Er tippte sich an die Nase.
Unbewusst bekräftigte er damit, was Tom bereits gesagt hatte. Es gab ja eine Gemeinsamkeit zwischen den Opfern, nur kannte die Polizei sie nicht. Die Schlussfolgerung beunruhigte Babel, denn sie nahm Sam nicht von der Liste. Außerdem war es wahrscheinlich, dass das Töten weiterging, wenn es der Mörder wirklich auf die Plags abgesehen hatte. Die Frage war also tatsächlich: warum? Dort lag der Schlüssel.
Sie versuchte, sich an einige der Namen zu erinnern, die Tom auf seine Liste geschrieben hatte und die möglicherweise auch die Polizei kannte. »Was ist mit dem Investor, der Angebote für das Grundstück gemacht hat? Haben Sie den auch auf dem Schirm?«
»Ja.«
»Hat er ein Alibi?«
»Seine Geliebte.«
»Oh.«
Amüsiert wackelte Munzki mit dem Kopf. »Hat seine Aussage bestätigt... seine Frau sitzt in Frankfurt... Na ja, geht uns nix an, was? Kann ich Ihr Haar berühren, Marianne?«
»Okay, das reicht. Vielen Dank.« Babel erhob sich und griff nach dem Tablett. Mit einer Hand hielt sie es fest, die andere ballte sie zur Faust und sammelte Energie. Sie visierte seinen Solarplexus an und schickte einen solchen Energiestoß hindurch, dass Munzki nach Luft schnappend auf der Tischplatte zusammensank. Für ein paar Minuten würde er ohnmächtig sein und schließlich benommen erwachen. Er würde glauben, einen Schwächeanfall erlitten zu haben und alles für einen Traum halten. Möglicherweise würde er noch eine Weile das Bedürfnis verspüren, seiner Umgebung seine Gedanken mitzuteilen, aber das war nicht mehr Babels Problem.
Im Vorzimmer stand Tom noch immer mit verschränkten Armen vor der Tür. Hastig packte sie die Sachen zurück in die Tasche, und er sperrte die Tür auf. Kaum hatten sie das Büro verlassen, kam ihnen auf dem Gang bereits die Sekretärin entgegen, noch immer ganz weiß um die Nasenspitze, aber mit deutlich sichererem Schritt.
»Siehst du«, flüsterte Babel Tom zu, bevor sie mit gesenkten Köpfen an der Frau vorüberliefen und die Treppe hinunter-eilten.
Auf der Straße atmete Babel erst einmal tief durch und konzentrierte sich darauf, ihre Magie zu beruhigen. Sie war noch immer so aufgedreht, dass sich die Farbe ihrer Schuhe von einem dunklen Braun in Schwarz veränderte, als sie hinsah. Zum Glück war es im Tageslicht kaum zu erkennen.
Urd war noch genau an der Stelle zu finden, an der sie die Hündin zurückgelassen hatten. Inzwischen hatte sich die Dogge aufgesetzt und sah sie mit ihren treudoofen Augen erwartungsvoll an. Als sie bei ihr ankamen, kraulte Tom sie hinter den Ohren und sagte: »Braves Mädchen.«
Fast hätte Babel Urd darum beneidet.
»Hast du alles gehört?«
»Ja«, sagte er. »Vor allem, wie er von deinem Haar geschwärmt hat.«
»Ja, das war besonders informativ.« Sie verzog das Gesicht, und Urd begann an ihrer Hand zu schnüffeln, die sie schnell in die Hosentasche steckte. »Ist es möglich, dass ihr Leute abstellt, die die Tatorte im Blick behalten?
Weitere Kostenlose Bücher