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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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hörst noch Kassetten?«
    Tom öffnete die Beifahrertür und hielt sie ihr auf. »Ich bin eben altmodisch.«
    Sie warf einen Blick auf seine Ohrringe und zog die Augenbraue hoch. »Klar, das glaube ich dir sofort. Und sonntags geht's zum Tanztee.«
    »Genau.«
    Als Babel eingestiegen war, versicherte er sich, dass sich ihr Rock nicht in der Tür einklemmen würde, bevor er die Tür zuschlug, was sie für einen Mann seines Kalibers seltsam rührend fand.
    Auf der Fahrt zur Wohnung des vierten Opfers sprachen sie wenig. Es war ihnen beiden nicht danach zumute. Bei dem Gedanken, dass sie eine Wohnung betreten würde, in der jemand getötet worden war, wurde Babel mulmig zumute.
    Die Totenebene barg viel Macht in sich. Aber das Verlangen nach ihr war nie so groß gewesen wie das nach der Dämonenebene. Die Gefühle, die Babel verspürte, wenn sie mit den Toten in Kontakt trat, waren düsterer und schwerer. Obwohl die Verlockung nicht so stark war, hielt sie sich davon fern. Für Tamy spielte es auch keine Rolle, ob sie nur einen Prosecco oder einen Schnaps trank. Sich freiwillig in die Nähe eines Orts zu begeben, der mit frischer Totenenergie aufgeladen war, stellte für Babel eine Herausforderung dar. Aber das konnte sie Tom nicht sagen.
    Am liebsten hätte sie darauf verzichtet, sich die Wohnung anzusehen, aber wenn jemand ein Ritual durchgeführt hatte oder auch nur jemand mit einer starken magischen Signatur dort gewesen war, würde sie vielleicht noch eine Spur aufnehmen können.
    Als die Stille im Wagen unangenehm schwer wurde, stellte Tom die Musik an, und während irgendeine Indie-Band aus den Boxen plärrte, bellte Urd dazu - ähnlich schief, wie Karl zu Dolly Parton sang.
    6
    Annabelles Wohnung lag in einem sanierten Altbauhaus mit acht Parteien, nicht weit von der Wagenburg entfernt. Die Fassade war mit Graffitis beschmiert, und im Hausflur stand ein halbes Dutzend Kinderwagen. Irgendjemand hatte mit Klebeband Kinderzeichnungen an die Wand gepappt, während die großen Deckengemälde bereits verblassten. Auf den teilweise eingebeulten Briefkästen prangten Aufkleber, die in unterschiedlicher Form immer wieder dieselbe Botschaft verkündeten: Keine Werbung erwünscht! Nur ein einziges Schild verkündete: Hier lebt Elvis.
    Die Stufen waren ausgetreten und knarrten, als sie die Treppe nach oben stiegen. In der dritten Etage deutete Tom auf eine blau gestrichene Tür, deren Schloss durch ein Polizeisiegel verklebt war. Sie lauschten, aber im Treppenhaus war nichts zu hören. Wahrscheinlich waren die Nachbarn arbeiten. Mit dem Handy machte Babel ein Foto vom Siegel an der Tür, um es später visualisieren und wiederherstellen zu können. Das Band rissen sie einfach ab - das würde sicher niemanden interessieren, solange das Siegel intakt war.
    »Beeilen wir uns«, sagte Tom. »Wenn uns die Nachbarn erwischen, haben wir der Polizei einiges zu erklären.« Er stellte sich dicht vor die Tür und hatte in wenigen Minuten das Schloss geknackt. Eigentlich hatte sie angenommen, dass es ihre Aufgabe sein würde, die Tür zu öffnen.
    Mit hochgezogener Augenbraue sah sie ihn an, aber er zuckte nur mit der Schulter und flüsterte: »Ich war mal mit einer Feinmechanikerin zusammen.«
    »Das denkst du dir aus!«
    Sein schiefes Grinsen war Antwort genug. Schnell schlüpften sie in die Wohnung und schlossen die Tür hinter sich. Einen Augenblick standen sie unschlüssig im Flur herum.
    »Hör mal...«, begann Tom, aber Babel hob die Hand.
    »Ich verstehe schon.«
    Erleichtert nickte er. Es war nicht notwendig, ihr zu sagen, dass sie nichts anfassen sollte, was sie nicht unbedingt für den Zauber brauchte. Nicht wegen der Polizei, die Spurensicherung war ja abgeschlossen. Nein, es ging ihm um etwas anderes. Obwohl Annabelle tot war, so war es doch noch immer ihre Wohnung, und sie waren nur Gäste, die ungehindert Einblick in ein privates Leben erhielten. Wäre sie noch am Leben, hätte sie Babel sicher nicht hereingebeten. Es war eine Frage des Respekts.
    Während sie durch den grün gestrichenen Flur liefen, vorbei an Küche und Bad, fielen Babel all die Kleinigkeiten auf, die zeigten, wer hier gelebt hatte. Bilder und Trockenpflanzen an den Wänden, Glasperlenvorhänge, durch die das Licht fiel, Kerzen in den Mauervorsprüngen. Vertrocknete Kräutertöpfe auf den Fensterbänken und ein bunt gestreifter Teppich auf dem Fußboden. Es sah gemütlich aus, Annabelle hatte Farben gemocht. Die Wohnung trug ihre ganz eigene

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