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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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emeut, diesmal allerdings wie einen Dirigentenstab. »Wusste ich es doch. Aber Sie müssen einen Moment warten. Ich muss den Hahn noch ausnehmen, dann gebe ich Ihnen die Innereien mit.«
    »Danke, das kann ich selbst.«
    Überrascht sah er Babel an. »Sie können einen Hahn ausnehmen?«
    Wieder nickte sie und hörte hinter sich in der Schlange Gemurmel. Sie konnte förmlich spüren, wie die älteren Damen hinter ihr sie kritisch beäugten und versuchten, ihre hausfraulichen Fähigkeiten einzuschätzen.
    Ihr würdet euch wundern. Hummer, Aale, Ziegen, das reinste Sezierwunder!
    »Das ist aber nicht einfach ...«
    »Ich hab Übung.«
    »Mhm«, brummte der Mann und ließ den Blick weiter skeptisch über sie gleiten. Dann schien er plötzlich auf eine Idee zu kommen, denn er zwinkerte und winkte sie näher.
    Beunruhigt beugte sich Babel über die Theke, und er flüsterte ihr verschwörerisch zu: »Sind Sie etwa einer von diesen Profiköchen, die man im Fernsehen sieht?«
    »Ich arbeite nicht fürs Fernsehen.«
    Ihren irritierten Gesichtsausdruck schien er misszuverstehen, denn nun nahm er die Hände nach oben und erklärte mit Grabesstimme: »Ich verstehe«, und nickte wieder gewichtig. »Keine Bange, wir verraten nichts, nicht wahr, meine Damen?« Breit lächelnd wandte er sich an die Schlange hinter Babel, die ihm eifrig zustimmte.
    Als er ihr endlich den Hahn aus dem Kühlraum brachte, sorgfältig in Papier eingewickelt, verließ Babel fast fluchtartig das Geschäft. Im Hinausgehen flüsterte die Dame, die das Ende der Schlange bildete: »Welcher Sender?«, worauf Babel erwiderte: »Öffentliche.«
    Darüber schien die Frau ein wenig enttäuscht zu sein, aber Babel zog es vor, ihr nicht die Wahrheit über das kommende dunkle Schicksal des Hahns zu sagen. Die meisten Leute taten sich mit diesem Aspekt ihrer Profession schwer - sollten sie nicht schon der Profession abgeneigt sein. Sie war sich sicher, dass die meisten Tierschutzorganisationen Hexen auf ihre schwarzen Listen gesetzt hätten - irgendwo zwischen Kosmetikkonzerne und Hundewettbüros -, wenn sie nur von ihnen gewusst hätten. Mit dem Paket unter dem Arm machte sie sich auf den Rückweg.
    Auf halber Strecke überkam sie plötzlich erneut das Gefühl, beobachtet zu werden. Aber als sie sich umsah, konnte sie nichts Auffälliges entdecken, außer ein paar Frühaufstehern, die wie sie die Straße entlangliefen und ähnlich müde aussahen. Keiner von denen schien ihr besonders auffällig oder ein gesteigertes Interesse an ihr zu haben. Ihr magisches Netz erfasste nichts. Es war nur dieses eigenartige Gefühl, das sie seit Tagen verspürte, aufgestellte Nackenhaare und ein Prickeln zwischen den Schulterblättern. Einen Dämon konnte sie in der Nähe nicht fühlen, auch die Toten verhielten sich ruhig.

Nervös lief sie weiter. Wenn sie eines gelernt hatte, dann, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Wann immer es einen scheinbar ohne Grund warnte, sollte man darauf hören und sehen, dass man Land gewann. Sie beschleunigte ihre Schritte und wurde erst wieder langsamer, als sie ihr Haus sehen konnte. Wenn ihr Verfolger tatsächlich eine andere Hexe, vielleicht sogar der Mörder war, wäre er sicher nicht so dumm, sie auf ihrem eigenen Territorium anzugreifen, das mit ihren Energien aufgeladen war.
    Als sie die Hand nach dem Tor ausstreckte, verschwand das Gefühl. Irritiert blickte sie sich um. Auch diesmal entdeckte sie nichts Auffälliges, nur Herrn Schneider auf der anderen Straßenseite, der die Fenster seines Hauses putzte, wie er es jede Woche einmal tat. Aber sein Putzfimmel war nicht per se verdächtig, allenfalls lästig, weil er den anderen Hausbesitzern in der Straße ein schlechtes Gewissen machte.
    Babel versuchte, ihre Nervosität abzuschütteln.
    Reiß dich zusammen, das liegt nur daran, dass du einen toten Hahn unter den Arm geklemmt hast.
    Hastig ging sie zurück ins Haus und legte das Paket in der Küche ab. Aus einer Kiste vom Dachboden holte sie einen alten Regenmantel, der leicht abzuwaschen war. Er roch nach Chemie, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, die Gummiknöpfe durch die dafür vorgesehenen Schlitze zu friemeln. Als Babel einen Blick in den Garderobenspiegel warf, zeigte das Bild eine Vogelscheuche mit dunklen Ringen unter den Augen, wirrem
    Haar und gehetztem Blick. Das Einzige, was in diesem Moment strahlte, war das gelbe Plastik.
    »Toll. Ich sehe aus wie ein Alien vom Gummiplaneten.«
    Mit dem Paket unterm Arm stieg sie hinab in den

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