Babel 1 - Hexenwut
Aura brannte in einem tiefen Indigoblau, sein magisches Netz bildete einen festen Kokon. Fasziniert beobachtete Babel, wie sich die Luft um ihn herum erhitzte. Die Temperatur im Raum stieg. So musste er auch die Brände auslösen. Er konnte gut auf die Temperatur einwirken, intuitiv wie sie. Gegen seine Magie wirkten ihre Energiewellen beweglich, wie Wasser, das einen Felsen umschloss.
Ihr Blick wanderte weiter. Die magischen Farben durchzogen den Raum, manche schon älter, manche ganz frisch. An Daniel selbst sah Babel keine weißen Flecken. Als direkter Täter war er auszuschließen. Sie zog sich zurück in ihre eigene Perspektive.
»Zufrieden?« Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Fürs Erste.«
»Ich würde dir ja gern etwas anbieten, aber irgendwie habe ich das Gefühl, du würdest nichts trinken, was ich in der Hand hatte.«
»Davon kannst du ausgehen.« Ungeduldig wandte sie den Blick ab. Ihre Liste schrumpfte weiter zusammen, und die Möglichkeiten, die übrig blieben, waren die unangenehmsten. Im Grunde hatte Babel nicht wirklich erwartet, dass Sonja, André oder Daniel in die Morde verwickelt waren. Die Vorstellung, dass es stattdessen Clarissa oder gar ein Fremder war, beunruhigte sie deutlich mehr. Gegen jemanden anzutreten, den man nicht einschätzen konnte, barg unbekannte Risiken, die einen leicht den Kopf kosten konnten.
Daniel musste ihre Unruhe gespürt haben, denn plötzlich lehnte er sich nach vorn, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Seine Augen blitzten vor Begeisterung, und sie konnte förmlich sehen, dass er darauf brannte, ihr etwas mitzuteilen, das sie noch nicht wusste. »Ist dir in letzter Zeit vielleicht etwas aufgefallen in der Stadt?«
Scheinbar desinteressiert schüttelte sie den Kopf. Sie wollte ihm das Spiel nicht zu einfach machen.
»Nicht mal ein neues Hexenmuster?«
Als sich ihre Augen vor Überraschung weiteten, lehnte er sich zufrieden zurück, in der Gewissheit, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben.
»Was?«
»Es gibt ein neues Hexenmuster in der Stadt.«
»Das hätte ich gemerkt.«
»Nicht zwangsläufig. Wenn es eingebettet ist in andere magische Netze und so schwach, dass man es leicht übersieht...«
»Wer ist es?«
Er legte eine dramatische Pause ein, die sie an Judith erinnerte. »Clarissas Enkel Nikolai. Er ist heimgekehrt.«
Die darauf folgende Pause war echt, aber nicht weniger dramatisch.
»Du machst Witze.«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist kein Wunder, dass du nichts gemerkt hast. Das Muster ist so schwach, dass es eine Hexe wie dich kaum interessieren kann.«
»Was meinst du damit?«
»Er kann kaum mehr als ein paar Tricks, zu mehr reicht es nicht.«
Selbst wenn das stimmte, war es nicht gut, wenn ihr solche Sachen entgingen. Aber es erklärte, warum Daniel ihr freiwillig eine Information zukommen ließ und ihr auch gestattet hatte,
sein magisches Muster zu überprüfen, obwohl er ihre Krähe blockieren konnte.
Er hoffte, dass Babel Clarissa auf die Pelle rückte.
Von den verschwundenen Totenenergien am Tatort schien er nichts zu wissen. Wahrscheinlich vermutete er, dass Clarissa hinter den Morden steckte und ihr Motiv denselben Grund hatte, der ein mögliches Interesse seinerseits erklärte: der Ritualplatz. Vielleicht glaubte er zu verhindern, dass Clarissa an Macht gewann, wenn er Babel half.
»Wieso haben wir noch nie was von diesem Enkel gehört?«, fragte sie skeptisch, um zu sehen, wie weit sein Wissen reichte, aber sein Grinsen verriet ihr, dass er sie durchschaute. Indem sie Fragen stellte und der Sache nachging, tat sie genau das, was er wollte: Sie würde sich um das Problem Clarissa kümmern.
Ungehalten zog sie die Augenbrauen zusammen. Es passte ihr nicht, dass er sie zu seinem Werkzeug machte, aber im Moment war sie auf seine Informationen angewiesen.
»Weil er bisher nicht in der Stadt gelebt hat. Er ist erst vor wenigen Monaten zurückgekommen. Ist wohl bei der Mutter aufgewachsen.«
Ist das die Antwort auf dieses Rätsel? Ist er der fremde Spieler?
»Ich weiß, was dir durch den Kopf geht, aber der Junge ist harmlos. Ich hab dir doch gesagt, dass du sein Muster übersehen hast, weil es so schwach ist.«
»Vielleicht ist das nur Tarnung.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, dann hätte Clarissa ihn nie aus den Fingern gelassen. Ich hab Erkundigungen eingeholt. Ehrlich gesagt, ist es sogar eine recht traurige Geschichte. Er ist nicht der einzige Enkel. Er hat noch einen Bruder,
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