Babel 1 - Hexenwut
Worten lief sie die Treppe hinunter, während sein leises Lachen hinter ihr herwehte.
13
Drei ihrer Verdächtigen hatte Babel nun schon von der Liste genommen, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass die zusätzlichen Informationen ihr etwas nützten. Im Gegenteil, ihre Unruhe stieg sogar noch. Konnte sie dem vertrauen, was Daniel gesagt hatte? Vielleicht war dieser Nikolai ja genau derjenige, nach dem sie suchte. Daniel verfolgte jedenfalls seine eigenen Pläne und half ihr nicht aus reiner Nächstenliebe, das stand fest.
Je näher sie Clarissas Haus kam, desto nervöser wurde sie, bis Tamy irgendwann entnervt sagte: »Wenn du weiter so auf deinem Platz rumrutschst, denke ich noch, du musst aufs Klo.«
»Tut mir leid. Hör zu, das hier ist was anderes als die anderen. Das waren kleine Fische. Clarissa ist mächtig, und vor allem ist sie nicht allein.«
»Warum gehst du dann hin?«
»Ich muss wissen, ob sie etwas damit zu tun hat. Wenn sie heute mit mir Streit sucht, brauche ich deine Hilfe, denn sie ist auf ihrem Territorium.« Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte Tamys Nummer, die irritiert das Gespräch annahm, bevor Babel das Telefon wieder einsteckte. »Ich lass die Verbindung stehen. Wenn du irgendwas hörst, das klingt, als wäre ich in Bedrängnis, dann kommst du rein. Egal, wer dir dann begegnet, du haust so drauf, dass er sich für eine Weile nicht mehr rührt, denn wenn es erst mal so weit ist, musst du davon ausgehen, dass sie versuchen werden, dich ebenfalls auszuschalten. Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite, aber das ist alles, klar?«
Tamy nickte. Irgendwie hatte Babel den Verdacht, dass eine solche Aktion für sie nicht neu war, und langsam fragte sie sich, ob Tamy wirklich nur als Türsteherin arbeitete.
Clarissas Haus war riesig. Wie Babels eigenes Heim war auch dieses durch Zauber geschützt, die normale Menschen dazu brachten, es zu ignorieren, und die Bewohner davor warnten, wenn jemand wie Babel in seine Nähe kam. Sie hatte nicht erwartet, sich anschleichen zu können. Ein mannshoher Eisenzaun mit gefährlich aussehenden Spitzen umgab das Grundstück, und am Tor war eine Gegensprechanlage angebracht, die aussah, als wäre sie eine Sicherheitsanlage aus dem Pentagon.
Zwei Schritte entfernt vom Zaun blieb Babel stehen und streckte die Finger in das Energiefeld, welches das Haus umgab. Es machte sich als Prickeln an den Fingerkuppen bemerkbar. Sie setzte ihre eigene Energie dagegen, damit sie nicht buchstäblich der Schlag traf. Der Schmuck übertrug seine Wärme auf ihre Haut.
Keine Minute stand sie, ohne geklingelt zu haben, vor dem Zaun, als sich auch schon die Haustür öffnete und ein junger Mann in den Garten trat. Er war höchstens zwanzig, groß und schlaksig und besaß den Gang eines Jungen, der zu schnell gewachsen war. Das musste Nikolai sein, Clarissas Enkel, denn sein Gesicht war Babel fremd. Daniel hatte recht gehabt. Das magische Energienetz, das den Jungen umgab, war schwach und erreichte Babel nur als warmer Hauch.
Finster schauend trat er ans Tor und sprach mit leiser Stimme, die sie kaum verstand. Es klang wie »Sind Sie Babel?«, deshalb nickte sie vorsichtig und steckte die Hände in die Jackentaschen. Wind war aufgekommen.
»Du bist neu«, stellte sie fest, und einen Moment lang sah der Junge sie unsicher an.
»Ich bin Anatols Sohn.«
»Hast du auch einen Namen, Anatols Sohn?«, fragte sie, um zu sehen, wie er reagieren würde.
»Vielleicht wollen Sie erst hereinkommen und mit meiner Großmutter reden.«
Das war es, was Babel an dieser Familie am meisten hass-te - immer tat sie so verdammt geheimnisvoll und machte aus jedem Fliegenschiss eine Staatsaktion. Obwohl Nikolai erst kurz hier war, hatte er sich in dieser Hinsicht schon bestens eingelebt. Wahrscheinlich hatte ihm irgendjemand eingeredet, dass der eigene Name Macht besaß und man ihn besser nicht den falschen Leuten verriet. Mal ehrlich - ein Name machte doch noch keinen Bannspruch! Aber Babel nickte nur und ließ sich hineinfuhren. Schließlich war sie nicht hergekommen, um mit der Brut zu diskutieren.
Sie wurde durch die Empfangshalle geführt, hin zur Bibliothek, und die Sohlen ihrer Schuhe erzeugten ein quietschendes Geräusch, wenn sie auf den Marmorfußboden trafen. Der ganze Ort war aufgeladen mit magischen Energien, die davon zeugten, dass unter diesem Dach schon seit Jahrzehnten Hexen lebten. Die fremde Magie lief wie Schleim an Babel herab, und sie hatte Mühe, sich
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