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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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nicht zu schütteln.
    An den Wänden hingen Ölgemälde von Vorfahren, die ähnlich hochnäsig auf Babel herabschauten wie die jetzigen Sprösslinge dieser Familie. Sie hatten es verstanden, über die Jahrzehnte ein elitäres Bewusstsein zu entwickeln, das sich vor allem daraus speiste, es nicht laut auszusprechen. Stattdessen bekam es ein Besucher mit jedem Schritt, den er in diesem Haus tat, auf dem Silbertablett serviert.
    Vor einem der Bilder blieb Babel stehen. Während es für Nikolai aussah, als betrachte sie das Porträt, folgte Babel der Verbindung zu der Krähe, die über dem Anwesen flog. Sie hatte nicht viel Zeit, ein paar Sekunden nur, bevor sie zum nächsten
    Bild weitergehen musste, damit nicht auffiel, was sie eigentlich tat. Sie konnte froh sein, wenn Clarissa durch ihren Besuch so abgelenkt war, dass ihr die Krähe vor ihrem Fenster nicht auffiel.
    Hastig untersuchte Babel das magische Netz, das wie Spinnweben über dem Haus lag. Sie erkannte die pulsierenden Quellen der Hexen und ihre magischen Spuren. Da waren auch weiße und graue Flecken, aber sie waren alt. Das letzte größere Ritual schien schon eine ganze Weile zurückzuliegen. Wenn Clarissa die Totenenergie der Plags genutzt hatte, dann jedenfalls nicht im eigenen Haus.
    Sie wechselte wieder auf ihre eigene Sicht und lief weiter. Nikolai betrat die Bibliothek vor ihr und kündigte sie mit »Unser Gast« an.
    Der Raum war gut gefüllt. Auf der Couch saß Anatol, bei dem sich niemand fragen musste, wie die Falte zwischen seine Augenbrauen gekommen war. Er schien in einem permanenten Zustand der Unzufriedenheit zu leben. Neben ihm saß seine Schwester Loreley, die das ganze Gegenteil von ihm war; kräftig gebaut, rosige Wangen, und die Locken um ihr Gesicht schienen ständig in Bewegung zu sein, genau wie der Rest ihres Körpers. Lauernd sah sie Babel an, und Babel starrte zurück, bis Loreley den Blick senkte. Schließlich war Babel keine Zirkusnummer.
    Mit ihrer Mutter hatten sie beide nicht nur die Gesichtszüge gemeinsam, sondern auch die flimmernde Aura, die ihre magische Aktivität verriet und im Gegensatz zu Nikolais stark war. Sie machten sich nicht die Mühe, sie zu verbergen - wozu auch? Sie wussten schließlich alle, was sie waren. Ihre geballte Energie schickte eine Gänsehaut über Babels Körper.
    Hinter dem schweren Holztisch saß Clarissa und lächelte ihr entgegen, wie sie es immer tat, wenn sie sich trafen, auch wenn sie beide wussten, dass sie Babel am liebsten im nächsten Kanal ertränkt hätte.
    Clarissa war weit über siebzig, ihr weißes Haar zu einem festen Knoten hochgesteckt. Sie trug ein grünes Wollkleid und einen taubeneigroßen Bernsteinanhänger um den Hals. Um die Handgelenke trug sie unzählige Armreife, alle magisch aufgeladen. Clarissa bediente sich gern solcher Hilfsmittel, Babel hatte sie noch nie ohne Schmuck gesehen.
    Selbst wenn sie einfach nur dasaß und schwieg, war Clarissa eine imposante Erscheinung, und niemand zweifelte daran, dass diese Frau die Zügel der Familie fest im Griff hatte. Babel hegte den Verdacht, dass ihre Kinder vor allem Werkzeuge für sie waren. Garanten ihrer Vormachtsstellung in der Stadt, weshalb sie sie auch nicht gehen ließ. Ihr Gatte, ein unscheinbarer alter Mann, saß auf einem Sessel und schrieb etwas in seinen Kalender. Er schien sich nicht sonderlich für Babel zu interessieren.
    In Babels Rücken wurde es warm. Sie drehte sich um und sah Anatol an. »Lass gut sein, ja?«
    Die Falte zwischen seinen Augen vertiefte sich weiter.
    Der Raum füllte sich mit Magie, weil Babel ein paar Schutzmechanismen anknipste, die für verärgerte Reaktionen auf der Gegenseite sorgten.
    Karl hatte sie mal gefragt, warum sich die Hexen nicht einfach gegenseitig erschossen - Magie, an der Kugeln abprallten, gab es schließlich nicht. Aber so einfach war es dann auch wieder nicht, weil man nie wusste, welche Vorbereitungen der andere getroffen hatte. Clarissa zum Beispiel wusste in diesem Moment, in dem Babel sich in ihrem Haus befand, nicht, ob jemand draußen auf der Straße wartete und im Notfall die Polizei verständigte. Das hätte zu lästigen Fragen geführt. Sie waren schließlich nicht die Mafia.
    »Meine Liebe«, sagte Clarissa und wies auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Setz dich doch! Willst du etwas? Tee, Kaffee? Etwas zu essen?«
    Babel schüttelte den Kopf und zog den Stuhl ein paar Schritte vom Tisch weg. Die Jacke ließ sie an, vielleicht auch, weil sie sich dann den

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