Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
Prolog: Das Treffen
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E s war der letzte Anruf, den ich an meinem achtzigsten Geburtstag erhielt. Ich war gerade von der Feier im Restaurant zurückgekehrt, wo ich mit meinem »kleinsten« Enkel - 1,90 Meter groß und auf denselben Namen getauft wie ich - noch lange »Schere, Stein, Papier« gespielt hatte.
Dann hatte es mich zu später Stunde unruhig nach Hause gedrängt, als würde ich noch auf etwas warten. Oder auf jemanden.
*
Es war niemand mehr da. Meine Frau hatte sich schon schlafen gelegt, und auch mein Sohn, meine Töchter und Enkel waren alle schon heimgefahren und ins Bett gegangen.
Ich nicht. Das Klingeln des Telefons kam für mich nicht ganz unerwartet. Ich nahm ab: »Hallo?«
Vom anderen Ende der Leitung begrüßte mich eine feste und wohlvertraute Stimme. »Alles Gute zum Geburtstag, Carlo!«
»Herzlichen Dank - heute ich ... morgen du!«, antwortete ich und war mir sicher, dass der andere die Ironie in meiner Stimme bemerken würde. Anspielung auf den Western Heute ich ... morgen Du!
»Hast du auf deinem Fest Charleston getanzt?«, fragte die Stimme. Anspielung auf den Film Charleston
»Das habe ich in meinem Leben erst zwei Mal gemacht: einmal in einem Kinofilm und einmal privat. Aber das weißt du doch.«
»Bist du überrascht, wieder von mir zu hören?«
»Du überschätzt dich: In meinem Alter ist es nicht so einfach, überrascht zu werden. Neugierig bin ich aber schon geblieben.«
»Du hast doch unser Treffen nicht etwa vergessen, oder?«, fragte der Anrufer spöttisch.
»lm Gegenteil«, wies ich ihn zurecht. »Ich hab mich noch nicht mal ausgezogen. Ich wusste ja, dass wir uns heute noch sehen würden. Wo treffe ich dich?«
»Wenn du willst, komme ich zu dir«, schlug er vor.
»Auf gar keinen Fall! Wenn meine Frau dich zu Gesicht bekäme, könnte sie einen Herzinfarkt erleiden oder sich gleich ins nächste Krankenhaus in die psychiatrische Abteilung einliefern lassen. Ich komme lieber zu dir.«
Ich nahm einen Stift und schrieb mir die Adresse auf, die mein Gesprächspartner mir diktierte, legte dann den Hörer auf und versuchte, möglichst geräuschlos das Haus zu verlassen, trotz meiner massigen Gestalt. Wenn meine Frau mich um diese Zeit gesehen hätte, wäre sie aber wahrscheinlich nicht sehr erstaunt gewesen: Seitdem mich die ganze Welt als Bud Spencer kennt, wurde ich zu Hause auf den Namen marziano (»Marsmensch«) getauft, und zwar wegen meiner Unberechenbarkeit ...
*
Das Hallenbad war leer und dunkel, was um diese Zeit völlig normal war. Der Vollmond schien durch die Deckenfenster und spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, die wie eine glatte und unbewegliche Schicht aus Flüssigem Glas aussah. Ich trat ein, schaute mich um und sog die Luft tief in die Lungenflügel ein, was starke Emotionen in mir auslöste. Der Chlorgeruch ließ eine für mich längst vergangene Zeit wieder aufleben, die ich jedoch nie vergessen hatte, selbst wenn ich nie ein nostalgischer Typ gewesen bin. Plötzlich ging das Licht an und ich sah den groß gewachsenen und dunkelhaarigen Mann Anfang zwanzig in Badehose, der durch eine Tür am anderen Ende der Schwimmhalle hereintrat. Er war von sehr kräftiger, klassischer Statur, und auf seinem Gesicht lag ein gleichzeitig sympathischer und ein wenig frecher Ausdruck. Er tat etwas, was ein Sportler vor einem Wettkampf nie tun darf und was hier ohnehin niemandem gestattet war: Er rauchte.
Mit provozierender Geste zwinkerte er mir kurz zu und schnippte unmittelbar vor seinem Sprung ins Wasser die Zigarettenkippe weg. Mit wenigen kräftigen Armzügen schwamm er zu mir herüber.
Er stieg aus dem Wasser, warf sich den Bademantel über und ging auf mich zu, immer mit diesem herausfordernden Blick.
»Hallo, Bud!«, begrüßte er mich mit einem aufrichtigen Lächeln. Trotz seines angeberischen Gehabes freute er sich wirklich, mich zu sehen. Diese Freude beruhte auf Gegenseitigkeit, und ich antwortete ihm lächelnd: » Ciao, Carlo!«
»Gut siehst du aus!«, sagte er, während er mich musterte.
»Auch wenn du dich vielleicht ein wenig verändert hast ... die dicke Wampe, der Bart ... Aber steht dir ganz gut!«, fügte er hinzu und setzte sich zu mir; während er sich mit der Bademantelkapuze die Haare trocken rieb.
»Du dagegen hast dich überhaupt nicht verändert«, entgegnete ich. »Auch wenn schon viele Jahrzehnte vergangen sind, bist du immer noch derselbe Vollidiot geblieben, der raucht, bevor er ins
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