GK091 - Die Rache des Todesvogels
Mit regelmäßigen Schlägen hämmerte ein dicker Eingeborener auf die beiden Trommeln, die er zwischen die Knie geklemmt hatte.
Jeder Schlag legte sich dröhnend auf die kristallklaren Fluten der See.
Hin und wieder durchschnitten die scharfen Rückenflossen von Haien das glatte Wasser.
Die gefährlichen Mörder kamen bis dicht an die Boote der Eingeborenen heran. Ihre kalten Augen lauerten auf die Beute, die sie zerreißen würden, sobald eines der Boote kenterte. Doch das geschah höchst selten.
Wie Torpedos schossen die Einbäume an den gefährlichen Korallenriffen vorüber.
Augenblicke später knirschte unter ihren glatten Bäuchen der Sand des Ufers.
Die Maoris hatten ihr Ziel erreicht.
Sie kletterten aus den Booten, griffen nach dem weißen Leichnam und schleppten ihn den Sandstrand hoch.
Sie legten ihn vor einem hässlichen hölzernen Totem ab.
Überall lagen ausgebleichte menschliche Skelette herum.
Auf den Klippen begannen die Mördermöwen zu kreischen.
Die Eingeborenen suchten mit ängstlichen Augen den azurblauen Himmel ab.
Plötzlich schrie einer von ihnen erschrocken auf. Er zeigte auf die rauschenden Baumwipfel. Seine Freunde ließen den Toten unverzüglich los. Heisere Angstschreie ausstoßend rannten die Maoris zu ihren Booten zurück.
Sie sprangen in die Einbäume.
Jeweils einer schob die Boote ins Wasser zurück. Die anderen begannen hektisch zu rudern.
Es sah nach überstürzter Flucht aus. Über den mächtigen Baumwipfeln kreiste ein großer schwarzer Geier.
Seine Flügelspannweite war beeindruckend. Er peitschte die Luft und flog mit majestätischen Bewegungen zum Strand hinunter.
Als er den Leichnam erblickte, streckte er seine scharfen Krallen vor. Dann fiel er aus der Luft herab, wie ein Stein.
Reiche Beute wartete auf ihn…
***
Das kräftige Tier wandte den hässlichen Schädel. Es schaute den fliehenden Eingeborenen nach. Die Schwarzen klatschten in rasender Eile ihre Ruder ins Wasser.
Schnell wurden ihre Einbäume kleiner.
Bald waren sie nicht mehr zu sehen.
Der Geier riss seinen scharfen Schnabel auf und stieß krächzende Schreie aus. Es klang wie ein triumphierendes Hohngelächter.
Plötzlich geschah etwas Unvorstellbares. Der Kopf des Vogels begann auf unerklärliche Weise zu wachsen.
Der Schnabel bildete sich zurück. Die stechenden Mörderaugen blieben. Aus den Federn wurden Haare. Aus dem Schädel wurde ein menschlicher Kopf.
Der Kopf eines Mannes. Auf dem Körper eines kraftstrotzenden Geiers.
Es sah Grauenerregend aus.
Das seltsame Tier sprang von dem Leichnam herunter.
Er stelzte einmal um ihn herum. Da kamen die Mördermöwen. Sie wollten das Fleisch des Toten haben. Doch der Todesvogel machte es ihnen streitig.
»Weg da!«, schrie er wütend. Und er schlug mit den Flügeln. Der Sand wurde aufgewirbelt und flog auf den weißhäutigen Toten. »Weg da! Der gehört mir!«, brüllte der Blutgeier.
Die Möwen versuchten trotzdem, an den Toten heranzukommen. Ein erbitterter Kampf entbrannte.
Der Geier flog zornig auf.
Er packte mitten in die helle Vogelwolke hinein und tötete mehrere Möwen mit seinen Fängen.
»Weg!«, schrie er immer wieder.
»Weg! Lasst ihn mir! Er gehört mir! Nur mir!«
Dann stieß er zum zweitenmal auf den Toten herab.
Er schlug dem Leichnam noch einmal seine Fänge in den Leib.
Dann hob er sich mit schweren Schwingenschlägen in die Lüfte. Den Toten nahm er mit.
Er flog mit ihr über die Palmenwipfel und brachte ihn an einen Ort, wohin die Möwen ihm nicht folgen würden.
Hier legte er ihn auf einem hölzernen Altar ab.
»Er gehört mir!«, krächzte das schreckliche Tier. »Mir allein! Ich brauche ihn. All die Jahre habe ich auf ihn gewartet. Er darf nicht das Opfer der Mördermöwen werden. Ich habe Pläne mit ihm. Große Pläne.«
Kreischend schlug der Blutgeier die Luft mit seinen Flügeln.
Dabei richtete er sich zu seiner vollen Größe auf.
Seine Federn lösten sich am Körper auf.
Er nahm menschliche Gestalt an.
Hoch gewachsen und hager stand er nun vor dem weißen Leichnam. Sein Gesicht war sonnengebräunt. Er hatte fettschwarzes Haar und trug schwarze Kleider.
Hinter ihm befand sich eine mit Sorgfalt errichtete Bambushütte.
Hier wohnte dieser geheimnisvolle Mann, dem es möglich war, sich jederzeit in einen kräftigen Geier zu verwandeln.
Sein gieriger Blick war auf den Toten gerichtet.
»Endlich ein Weißer!«, sagte er heiser. »Sie brachten immer nur Schwarze auf die Insel. Ich hatte so sehr
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