Babel und Bibel
Mǟrdistān – – –
Scheik
(einfallend):
Das alte Geisterweib, die Lügnerin,
Die euer Hohn zur »Menschheitsseele« macht.
Allāh verdamme und vernichte sie!
Hākawāti
(von seinem Platze aus, schnell):
Allāh behüte sie, die einzig Wahre,
Die niemals lügt, sie irre denn sich selbst!
Scheik:
Du bist die Sage, und du bist das Märchen.
Was weißt denn du von Mārah Dūrimēh!
Schēfakā:
Verzeih, o Scheik, da muß ich ihm wohl helfen!
Doch grad als Sage und doch grad als Märchen Muß er die Menschheitsseele besser kennen
Als jeder Andre, dich nicht ausgenommen!
Scheik
(nachsichtig verweisend):
Du bist ein Kind – – –
Schēfakā
(heiter):
Jawohl, das Schreckenskind!
Scheik
(fortfahrend):
Und hast ja schon als Tochter deines Vaters
Wohl keinen Grund, das Weib in Schutz zu nehmen.
Denn als er einst
(geht zu Babel hin, nimmt das Buch »Der Menschengeist« und zeigt es)
das Buch vom »Geiste« schrieb
Und es ihr dann als Ehrengabe sandte,
Da hat sie es begeifert und verworfen.
Und als sie kürzlich von der »Seele« hörte,
(zeigt das Buch »Die Menschenseele«)
Die hier im Manuskripte vor uns liegt,
Da hat sie nur so obenhin gelächelt!
Schēfakā:
Das kann sie auch, wenn sich der Vater irrt.
Bedenke doch, er ist ja nur ein Mensch, Doch aber sie, sie stammt aus Sternenwelten,
Ist viele, viele tausend Jahre alt,
Mit langem, weißem Haar in starken Zöpfen,
Die vorn herab bis fast zur Erde reichen.
Wenn sie zur Ebene herniedersteigt,
Trägt sie den Strahlenpanzer von Kristall – –
Scheik
(einfallend, ironisch):
Und bleibt sie oben, was sie immer tut,
Denn von uns Keiner hat sie je gesehen, So sitzt sie mit Gespenstern an dem Brette
Und spielt um Menschenseelen Schach mit ihnen.
Sie heißt mit Recht die Hexe des Schatrāndsch 1 , Denn wer Jahrtausende um Seelen spielt,
Der wird in allen Kniffen wohlgeübt
Und kann zuletzt den Teufel überlisten.
Imām:
Auch dich?
Kādi:
Auch dich?
Babel:
Den weltbekannten Meister?
Scheik:
Auch mich? Das ist ja heut die Lebensfrage!
Ich lade sie seit lange jährlich ein,
Zum Turm der Ān’allāh herabzukommen,
Um den Entscheidungskampf mit mir zu wagen,
Und sie, sie hat es immer abgelehnt – – –
Imām:
Aus Angst natürlich!
Kādi:
Nur aus Angst!
Alle
(durcheinander):
Aus Angst!
Scheik:
Doch jetzt, in diesem Jahre, mir zum Staunen,
Ging sie auf meine Ladung ein; sie kommt.
Das hat natürlich einen eignen Grund,
Den ihr erfahren werdet. Kādi, weiter!
Kādi:
Ich klage gegen sie, die Heuchlerin,
Die öffentlich als unser Gast erscheint
Und aber heimlich ihre Truppen sammelt,
Um uns mit Mord und Brand zu überfluten.
Sie hält es mit dem Geist des Abendlandes
Und leistet ihm Gefolge, wo sie kann.
Soeben jetzt, wo er nach alten Göttern
Und neuen Bahnen hier im Lande strebt,
Beschützt sie ihn bei Allem, was er tut.
Ihr alle wißt es, daß sie morgen kommt,
Um gegen uns ein großes Schach zu reiten,
Auf freiem Feld, mit lebenden Figuren
Und Pferden allererster Qualität.
Sie wird mit großem Prunke hier erscheinen,
Und reich an Zahl wird ihr Gefolge sein,
Vor dem ich euch – – –
Scheik
(die Peitsche erhebend):
Paßt auf!
Kādi
(fortfahrend):
zu warnen habe.
Es kommt mit ihr der Geist des Abendlandes
Mit einer Menge fremder Offiziere,
Die spionieren und vermessen sollen – – –
Scheik:
Als unsre Gäste! Welche Niedertracht!
Kādi
(spricht weiter):
Natürlich sind sie Alle wohl verkleidet
Und Jeder wohlgeübt in seiner Rolle – – –
Scheik:
Figuren zu dem Schachbrett Nummer Zwei!
Erster Aeltester:
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
Zweiter Aeltester:
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
Dritter Aeltester:
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
Scheik:
Jawohl!
Kādi:
Jawohl, dem Schachbrett Nummer Zwei!
Scheik
(ihnen erklärend):
Das Schach, das wir im freien Felde reiten,
Das wird uns von dem Gegner vorgeschoben,
Um uns zu täuschen, uns zu überlisten.
Ich spreche da vom Schachbrett Nummer Eins.
Doch, während wir auf dieses eine starren, Um Mārah Dūrimēh den Preis zu nehmen,
Sitzt hinter uns, ganz heimlich, unbemerkt,
Der Geist des Abendlandes an dem zweiten Und macht uns māt, bevor wir es nur ahnen.
Babel
(warnend):
Und macht uns māt!
Imām:
Und macht uns māt!
Kādi:
Und macht uns māt!
Alle
(durcheinander):
Und macht uns māt!
Erster Aeltester:
Bevor wir es nur ahnen!
Zweiter Aeltester:
Bevor wir es nur ahnen!
Alle
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