Baccara Extra Band 5 (German Edition)
romantisch.
Sorgfältig stellte sie ihre Aktentasche neben dem überdachten Hauseingang ab. Dann zog sie ihre schmutzigen Arbeitsstiefel aus, weil sie keine Schlammspuren auf dem Flur hinterlassen wollte, und betrat das Gebäude. Sie war gerade in Richtung Küche unterwegs, als das Telefon läutete. Bevor sie rangehen konnte, hatte sich schon der Anrufbeantworter eingeschaltet.
„Jules, meine Liebe, ich habe Sie gebeten, mich anzurufen“, hörte sie die Stimme Ramóns aus dem Lautsprecher. „Doch Sie haben mich offensichtlich vergessen. Was hat sich eigentlich zwischen Ihnen beiden in dieser Nacht abgespielt?“
Sie machte einen Riesensatz in Richtung Telefon und griff sich den Hörer. Onkel Thad sollte seinen vagen Verdacht nicht durch etwaige Nachrichten auf dem AB bestätigt bekommen. „Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass sich da irgendetwas abgespielt haben könnte?“, fauchte sie in die Sprechmuschel.
„Dr. Göttlich kreuzte heute bei mir im Salon auf und hat sich die Haare schneiden lassen. Eigentlich gab’s aber gar nichts zu schneiden.“
„Das ist nicht wahr.“
„Doch, meine Liebe. Der Mann hat echt Klasse. Meinen Segen haben Sie, falls er der neue Kerl in Ihrem Leben werden sollte.“
„Sie haben ihm doch nichts über mich erzählt, oder?“
„Rein gar nichts. Ich bin verschwiegener als Ihr Beichtvater. Ich habe ihm erlaubt, dass er bei mir einen riesigen Strauß roter Rosen anliefern lassen darf. Die Rosen waren nicht billig, und es sind bestimmt mehr als drei Dutzend. Ich habe sie am Empfang für Sie aufbewahrt. Natürlich hat er auch eine Karte mitgeschickt. Ich habe den Umschlag nicht geöffnet, Diskretion verpflichtet, aber gegen das Licht gehalten. Er hat Ihnen seine Nummer aufgeschrieben. Rufen Sie ihn an?“
„Ramón!“
„Tun Sie doch nicht so. Sie wollten schließlich selbst ein neues Leben beginnen.“
„Ich weiß es noch nicht.“
„Was soll das heißen?“, brummelte Ramón. „Habe ich Ihnen nicht gerade gesagt, was ich von ihm halte?“
„Ich hole sie morgen auf dem Weg zur Uni ab, ja?“
„Oh nein, meine Liebe. Wenn Sie heute Abend ins Bett gehen, müssen die Rosen auf Ihrem Nachttisch stehen. Sie werden dann bestimmt von diesem tollen Mann träumen. Wissen Sie was? Ich werde den Salon heute etwas früher schließen und bringe Ihnen die Blumen einfach vorbei.“
Wie sollte sie ihrem Onkel die drei Dutzend Rosen erklären?
„Ach nein, das ist doch nicht nötig.“
„Und ob das nötig ist. Er ist Ihretwegen schon völlig aus dem Häuschen, meine Liebe.“
Juliennes Herz klopfte wild. „Nein, danke.“
„Dann versprechen Sie mir, dass Sie ihn anrufen werden.“
„Gut, einverstanden. Ich muss mich natürlich wegen der Rosen bedanken.“
„Das ist doch wohl hoffentlich nicht der einzige Grund.“
„Ich werde darüber nachdenken.“
„Was gibt’s denn da noch nachzudenken! Wovor haben Sie eigentlich Angst?“
„Vor gar nichts“, log sie.
„Dann passt ja alles. Das Schlimmste, was Ihnen mit diesem netten Mann passieren könnte, ist doch, dass er Sie auf ein Glas Wein oder zum Essen einlädt, Ihnen teure Rosen oder andere Kostbarkeiten schenkt. Später werden Sie dann aufregenden Sex miteinander haben. Fangen Sie doch ein bisschen an zu leben, Jules, ehe Sie zu alt dazu sind.“
„Ich denke darüber nach.“
„Gut. Sie haben exakt zwanzig Minuten Zeit, bis ich bei Ihnen bin. Andernfalls muss ich mal ein ernstes Wort mit Ihrem Onkel Thad wechseln, was Sie für ein Mauerblümchen sind.“
Die Verbindung wurde unterbrochen. Ramón hatte aufgelegt. Julienne lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Rote Rosen und Nick, der wollte, dass sie ihn anrief …
Sei keine Spielverderberin. Du weißt genau, was das alles zu bedeuten hat. Nick Fairfax möchte es nicht bei einem One-Night-Stand bewenden lassen Und du?
Onkel Thad wäre bestimmt ganz schön gekränkt, wenn sie sich mit Nick einließe.
Sie war schon dreißig, um Himmels willen.
Wann fängst du endlich an, dein Gefühlsleben zu erforschen, Mädchen?
Was könnte denn nach dem phänomenalen One-Night-Stand noch Großartiges kommen? Julienne ging ins Schlafzimmer und holte das Handbuch für böse Mädchen unter dem Kissen hervor. Vielleicht konnte es auch diesmal weiterhelfen.
Sie suchte das Kapitel, in dem es um Beziehungen ging. Ah, da war etwas … nach einem One-Night-Stand ging’s erst richtig los. Hörte sich gut an.
In ihrem Fall war das allerdings etwas problematisch.
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