BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
ganze Welt in diesem Augenblick den Atem an.
Eine Ära war zu Ende gegangen.
Eine neue konnte beginnen.
Heaven spürte eine Berührung an der Schulter, dann die eines Armes, der um ihre Schulter glitt, stark und beschützend.
Sie barg ihr Gesicht an Anums muskulöser Brust. Nie hatte sie sich wohler gefühlt. Nie war das Leben besser gewesen.
Wenigstens für diesen zeitlosen Moment hatte sie dieses Gefühl –
– bis sie sah, was Anum getan hatte, während sie Sardons Sterben bezeugt hatte!
Gershom Chaim, seine Frau Rebecca – tot! Blutlos und mit gebrochenen Hälsen lagen sie im Staub.
»Wie konntest du –?«, setzte sie an. Doch das Feuer seiner Augen ließ sie verstummen.
»Dies ist meine Art zu leben«, sagte er ruhig. »Und es muss die deine sein, wenn du an meiner Seite sein willst.«
Heaven schluckte, ohne den kratzenden Kloß, der ihre Kehle fast verschloss, loszuwerden. Erstickt sagte sie, nickend: »Oh, das will ich. Mehr als alles andere auf dieser Welt, in diesem Leben.«
Nie hatte die eigene Stimme in ihren Ohren fremder geklungen als jetzt.
Wie um sich abzulenken, sah sich um, ohne fündig zu werden.
»Was ist mit den anderen?«, fragte sie.
»Sie waren es nicht wert zu leben, nicht nach unserer Art«, erwiderte Anum lächelnd. Versonnen betrachtete er den Lilienkelch in seiner Hand. Dann fügte er hinzu: »Unsere Art kann nur so sein wie du und ich.«
Er verstärkte seinen Griff um Heaven und führte sie hinaus.
Einer neuen Zukunft entgegen –
– die man vielleicht einst die
Hohe Zeit
nennen würde.
Zwei verlorene Gestalten schritten durch die düstere Halle, Hand in Hand. Ein Junge und ein Mädchen. Bruder und Schwester.
Vor ihren toten Eltern gingen sie in die Knie.
Das Entsetzliche, dessen Zeuge sie geworden waren, nachdem sie ihren entführten Eltern bis hierher nachgeschlichen waren, ließ selbst ihre Tränen gefrieren.
Stumm und reglos nahmen David und Rahel Abschied von Mutter und Vater.
Nach einer Weile ging das Mädchen ein Stück zur Seite, wie von lautlosem Locken dorthin gelotst, und beugte sich zu Boden. Ihre Finger tauchten in flockigen Staub und zogen ein ledernes Säckchen hervor.
Münzen klimperten darin. Und aus der Asche selbst sprach eine Stimme zu ihr, wie die eines Toten.
»Wer bist du?«, fragte Rahel.
Ein endlich Erlöster
, bekam sie zur Antwort.
»Erlöst? Wovon?«
Vom Fluch, ewig leben und doch immer wieder sterben zu müssen.
»Das verstehe ich nicht...«
Mein Fluch war es, so lange auf Erden zu wandeln, bis ich für meine ruchlose Tat genug gebüßt haben würde. Nachdem ich ihn verraten hatte, legte ich Hand an mich selbst und erhängte mich. Doch mein Geist wurde in einen anderen Leib gezwungen, durfte nicht eingehen ins Jenseits. Und so ging es fort – immer wieder starb ich zwar, aber nie durfte ich tot sein... bis heute nicht.
Einen Augenblick war Rahel versucht, das Säckchen mit den Münzen an sich zu nehmen.
Tu es nicht
, wisperte die geisterhafte Stimme.
Blut klebt an diesem Geld, seit der Stunde, da ich es als Lohn nahm. Nur Unglück kann es jedem bringen, der sich die Finger daran beschmutzt.
Rahel ließ den Beutel fallen. Ein letztes Mal klirrend versank er im Staub.
Sie stand auf, wollte gehen, blieb aber noch einmal stehen.
»Wie ist dein Name?«, fragte sie.
Schweigen. Sekundenlang. Dann erst kam die Antwort, verwehend und wie von weit entfernt.
Einst hieß ich Judas... Judas Iskariot.
Den sie den Verräter seines Herrn nannten...
Satans Ritter
Prolog
Das neben dem Feuer kauernde Wesen spie unaufhörlich mit gurgelnder Stimme ein Wort aus, das klang wie: »
Durst
...!«
Benji Hosteen schauderte. Flüchtig streifte sein Blick den leeren Kokon, dem die Brut entschlüpft war. Der geringste Luftzug verfing sich darin wie in vertrocknetem Spinngewebe und verursachte unheimlich knisternde Geräusche. Erst ein paar Tage war das Grauen alt. Trotzdem erschien diese kurze Spanne dem Inuit-Jungen wie eine Ewigkeit.
»Du musst aufbrechen«, mahnte ihn Manilaaq, der Schamane. »Es braucht Nahrung. Und wenn wir sie ihm nicht bald geben...«, er stockte kurz, »... dann wird es sich
von uns
holen, was es hier auf Erden braucht!«
Auf Erden...
Benji Hosteen wurde beinahe schmerzhaft bewusst, dass Manilaaq und er immer noch der festen Überzeugung waren, zu wissen, worum es sich bei diesem absonderlichen und
gefährlichen
Geschöpf handelte, das vor ihren Augen dem schwarz durchbluteten, schleimigen Kokon
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