BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Zefrem.
»Wer sollte uns dabei helfen können? Du hast gesehen, wie machtlos selbst die Polizei diesen Typen gegenüber war...«, gab Levar aufgeregt zu bedenken.
»Es gibt jemanden, der uns beistehen kann.«
»Woher weißt du das?«, fragte Levar.
Der Alte sah lächelnd auf seinen jungen Freund hinab.
»Mein Junge, glaubst du, du wärst der einzige, der mich in einhundertvierunddreißig Jahren besucht hat? Und auch manche dieser anderen Besucher hatten Geschichten zu erzählen...«
Er holte einen langen schwarzen Mantel mit einer angenähten, weiten Kapuze aus einer Truhe und streifte ihn über. Dann wickelte er einen ebenfalls schwarzen Schal um sein Gesicht, so dass nur die Augen freiblieben, zog sich Handschuhe über und setzte zum Schluss eine dunkle Sonnenbrille auf.
»Es ist lange her, seit ich das letztemal tagsüber in der Stadt war«, kommentierte er sein Tun. »Das Risiko ist einfach zu groß. Aber ich sehe keinen anderen Weg, wenn sich das Morden in der nächsten Nacht nicht wiederholen soll.«
Damit fasste er Levar an der Hand. Seite an Seite kehrten sie zurück nach New Orleans.
Gerome hätte manches Mal etwas darum gegeben, wäre ihm ein Blick in den Spiegel vergönnt gewesen. Doch dies war eine Gesetzmäßigkeit der Alten Rasse, die sich nicht einmal dann umgehen ließ, wenn man festen Willens war, die Regeln zu brechen.
Im Laufe der Jahrhunderte hatte der Vampir deshalb gelernt, sein Gesicht mit den eigenen Finger »zu sehen«, in der Art eines Blinden. Jetzt tastete Gerome wieder einmal seine Züge ab, und sie waren längst nicht mehr jene des jungen Landadligen, als der er Anfang des 18. Jahrhunderts von Frankreich herüber in die Neue Welt gekommen war.
Zu dem Gesicht eines alten Mannes waren Geromes Züge allerdings erst vor kurzem geworden. Als das »große Sterben« – wie er es jetzt, da es vorüber war, bei sich nannte – begonnen hatte.
Er erinnerte sich noch,
womit
es begonnen hatte. Auf eigenartige, aber doch harmlose Weise – wenn man sie in Relation zu den furchtbaren Folgen setzte...
Eine Wolke wie aus purpurfarbenem Staub hatte ihn selbst aus dem Nichts getroffen und ihm das Bewusstsein geraubt. Er hatte keine Erklärung dafür gefunden, aber auch keine weiteren Auswirkungen feststellen können.
Nicht an sich selbst zumindest...
Wohl aber, im Laufe der nächsten Tage, bei den Angehörigen seiner Sippe, den Kindern seines schwarzen Blutes. Die Begegnung jedes einzelnen von ihnen mit ihm war zur letzten geworden.
Denn danach überkam unstillbarer Blutdurst jene sechs, die die Zeit noch übriggelassen hatte. Sie begannen wahllos Opfer zu schlagen und leerzusaufen, doch nicht alles Blut der Welt konnte ihren körperlichen Verfall noch stoppen.
Gerome hatte den Kodex der Alten Rasse gebrochen. Sechsmal.
Zum einen, um seinen Kindern das Leid qualvollen, unausweichlichen Sterbens zu ersparen; zum anderen, um zu verhindern, dass die Menschen durch das Morden auf ihn selbst als einzigen verbleibenden Vampir aufmerksam wurden und ihn zu jagen begannen.
Die vergangene Nacht jedoch hatte jene Gewissensnot, die er mit dem Töten seiner Kinder auf sich geladen hatte, zur Farce verkommen lassen. Gerome zu spät davon erfahren, um viel dagegen tun können. Als er den Ort des Geschehens erreichte, waren die Dienerkreaturen bereits im Rückzug begriffen. Einigen wenigen hatte er noch das Genick gebrochen, aber das war nicht mehr gewesen als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Gerome wusste, was dem Morden vorausgegangen war.
Dazu hätte es nicht einmal jener dreckbeschmierten Nachricht bedurft, die er am Morgen bei seiner Rückkehr in seinem Gemach vorgefunden hatte.
Triff mich morgen Nacht auf dem St. Louis Cemetery No. 1. Dort soll sich weisen, wer würdig ist, über diese Stadt zu herrschen.
Unterzeichnet war die Aufforderung nicht. Doch Gerome hatte nicht den geringsten Zweifel daran, wer sie ihm hinterlassen hatte.
Guillaume sollte seinen Kampf bekommen.
Bis zum Anbruch der Dunkelheit war noch genügend Zeit zum Tanken neuer Kräfte.
Gerome läutete nach seinen Gespielinnen – und ließ sie
alle
zu sich kommen.
Jedoch nicht, um mit ihnen zu spielen.
Dazu war die Lage zu ernst.
Heaven gab sich alle Mühe, sich das wahre Ausmaß ihres Entsetzens nicht anmerken zu lassen. Aber es ging zu tief, um es überspielen zu können.
»Was ist mit dir los?«, fragte Patsy Keenlan, nachdem sie die zweite Tasse Café au lait getrunken hatte. »Du hast dein
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