Seelensturm
Prolog
Ein leiser Piepton riss mich aus dem traumlosen Schlaf. Das dünne Leintuch hatte sich um mein Bein und um den schönen jungen Körper neben mir verheddert. Vorsichtig löste ich mich aus den Armen, die mich die ganze Nacht umschlungen hatten. Die Nacht war nicht nur stickig, sondern auch heiß gewesen, … sehr heiß! Die Erinnerung löste ein befriedigendes Gefühl in mir aus. Ein kurzer Blick auf die Blondine und meine Lust war sofort wieder erwacht. Sie war schön, sie kannte ihre Reize und wusste sie auch gekonnt einzusetzen. Mit Erfolg hatte sie mich dazu gebracht, meine trüben und dunklen Gedanken zu vertreiben. Wobei ich mir nicht sicher war, ob der Tequila den größten Teil dazu beigetragen hatte.
Die Blondine stöhnte leise im Schlaf und drehte sich um, sodass ich ihren Rücken bewundern konnte. Sie gefiel mir, doch ihr Name war mir entfallen. Aber das war auch nicht so wichtig, denn spätestens nach dem Frühstück würde ich sie wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen. Ich hatte sie letzte Nacht gebraucht, denn sie hatte mich vergessen lassen - zumindest für ein paar Stunden.
Der Piepton holte mich wieder aus meinen Gedanken. Ich wusste, was der Ton zu bedeuten hatte. Es war mein Job, der mich rief. Leise stand ich auf, zog mir nur eine Jeans über und verließ mein Schlafzimmer. Im Flur lagen ihre Unterwäsche, mein Hemd und ihre achtlos auf den Boden geworfenen restlichen Klamotten, wie ein kleiner Wegweiser verstreut. Beim Vorbeilaufen hob ich alles auf, warf es auf das weiße Ledersofa und ging durch eine Nebentür in mein Arbeitszimmer. Kühles Weiß und Schwarz dominierten die Einrichtung. Ein großer, massiver Schreibtisch stand in der Mitte des Raumes. Mir gefiel schon immer die dunkle Eleganz und die klaren Linien an Möbelstücken. Lange hatte ich nach diesem großen Tisch gesucht, der schwer, robust und sehr alt war.
Mein Laptop schaltete sich ein, als ich mit meinem Zeigefinger über den Scanner fuhr und er meine Fingerdaten ablas. Das Handy leuchtete erneut auf, während mein Rechner startete. Ich wusste, auch ohne hinzusehen, wer mich zu sprechen wünschte. Es war eine Weile her, seit ich Kontakt mit Rom hatte. Das letzte Mal war er kurz gewesen. Mein bester Freund stand schon länger auf ihrer Abschussliste und auch wenn ich die Gesichter, die uns bezahlten, nicht alle kannte, wusste ich genau, dass sie keinen Spaß verstanden. Für meinen Geschmack sah Matteo das alles zu locker. Trotz meiner Warnungen amüsierte er sich mit Models, die für Schlagzeilen sorgten. Dadurch wurde sein Gesicht öfters in Boulevardzeitschriften abgelichtet und neugierige Presseleute fingen an zu recherchieren, was in unserem Job absolut verboten war. Wir hatten klare Regeln, die wir zu befolgen hatten. Ohne Fragen zu stellen, führten wir unsere Aufträge durch und hielten uns im Hintergrund. Wie unsichtbare Schatten, dazu waren wir ausgebildet worden.
Wie erwartet öffnete sich auf dem Bildschirm meines Computers ein Fenster mit der römischen Kennung. Sofort spürte ich das seltsame Gefühl, das mich seit einigen Monaten quälte. Ich wusste, dass die Ausschüttung von Gefühlen jeglicher Art für uns, nicht möglich war, doch eindeutig identifizierte ich Schuld, Angst und Traurigkeit. Es war merkwürdig - mein Leben lang dominierten Hass, Kälte und Gewissenlosigkeit. Etwas stimmte mit mir nicht. Doch bevor ich nicht herausgefunden hatte, was falsch lief oder was mit mir geschah, würde ich es für mich behalten müssen, denn sonst wäre mein Leben nicht mehr sicher.
»Guten Morgen, Luca. Wie geht es dir? Wir haben eine Weile nichts mehr voneinander gehört.«
Ich kannte diese Stimme schon viele Jahre. Das Gesicht auf dem Bildschirm vor mir war immer noch dasselbe. Ein kleiner, kahlköpfiger Mann mit eisblauen Augen lachte mich freundlich an. Ich kannte dieses Lächeln nur zu gut, um zu wissen, dass dahinter eine hässliche, hinterlistige Fratze steckte.
Die Übertragung des Bildes war besser als sonst. Rosig waren seine Wangen, doch das war eindeutig geschminkt, denn auf seiner linken Gesichtshälfte hatte er versucht, die große, lange Narbe zu überdecken und die restliche Haut wirkte grau und fahl. Ich grüßte ihn emotionslos zurück und hoffte, er würde bald zum Punkt kommen.
»Sag, geht es Matteo wieder gut?« Die Scheinheiligkeit in seiner Stimme ließ mich stocken. Sie wussten genau, dass Matteo eigentlich hätte tot sein müssen. Nur durch mein Versprechen, ihn und seinen
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