BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
handeln.
Heaven hoffte, dass das jenseitige Ufer des Mississippi bald in Flammen stehen würde und der Commissioner auch dafür gesorgt hatte, dass die Feuerwehr nicht ausrückte, um den brennenden Schutzwall zu löschen.
»Da kommt er!«
Zefrems Zischen erlöste Heaven von ihren bangen Gedanken.
Da sie etwas erhöht standen, konnten sie – Heaven und Zefrem jedenfalls – über die Köpfe der feiernden Menge hinwegsehen.
Drüben trat ein Mann aus dem portalähnlichen Gebäudezugang, dessen Kleidung ganz den Eindruck erweckte, als wollte er nichts anderes tun, als sich ins Getümmel zu stürzen. Die Kleider mochten vor hundert und mehr Jahren modern gewesen sein.
Gerome ließ sich vom Strom der Menschen mitreißen. Heaven, Zefrem und Levar folgten ihm in einem Abstand, der gerade groß genug war, dass sie ihn in dem Gewimmel nicht aus den Augen verloren.
Nach einer Weile tauchte Gerome in eine weniger belebte Gasse ein – was nicht hieß, dass hier nichts los gewesen wäre. Der Vampir bog um weitere Ecken, und schließlich meinte Levar: »Ich glaube, er geht zum St. Louis Cemetery.«
Heaven nickte. »Ein Friedhof. Das würde passen.« Sie blieb stehen und wandte sich ihren Begleitern zu.
»Ihr wartet hier auf mich«, bestimmte sie.
»Warum?«, begehrte der Junge enttäuscht auf. »Ohne uns wärst du gar nicht...«
»Ohne mich wärt ihr ganz schön aufgeschmissen«, erwiderte sie.
Dann wurde sie zu einem pelzigen Knäuel, das noch in derselben Sekunde flatternd in der Nacht verschwand.
Der St. Louis Cemetery No. 1 war der älteste Friedhof von New Orleans. Und er wurde nicht ohne Grund
City of the dead
, »Stadt der Toten«, genannt. Bis zu Beginn des Jahrhunderts pflegte man die Toten überirdisch zu »beerdigen«, weil der Boden schlammig war und durch den Kontakt der Leichen mit dem Wasser Seuchengefahr drohte. So wurden die Särge mit roten Backsteinen ummauert, und die wiederum verputzte und strich man weiß. Die Wege zwischen den Grabstätten wurden mit Straßennamen bezeichnet. Die Särge mancher Familien wurden gestapelt, und so entstanden auf dem alten Friedhof gewissermaßen miniaturisierte Wolkenkratzer. Wohlhabende ließen über den Särgen ihrer Lieben oft ganze Häuser errichten, von Skulpturen oder schmiedeeisernen Zäunen umgeben.
Es war ein bizarrer, zumindest aber ungewöhnlicher Anblick, der sich Heavens vampirischen Blicken, die die Schwärze der Nacht in rotstichige Schatten verwandelten, darbot, als sie niederging und sich einen Meter über dem Boden zurückverwandelte.
In menschlicher Gestalt landete sie sicher im Sichtschutz zweier Grabstätten und ging noch in der Bewegung in die Hocke, lauschte.
Sie hörte die Stimmen sofort.
Zefrem hatte sich nicht geirrt. Den Worten, die durch die Nacht schwangen, war unschwer zu entnehmen, worum es in dem Gespräch ging.
»Hast du gedacht, ich würde nicht kommen?«, fragte der eine, wohl Gerome.
»Du hättest gut daran getan«, erwiderte der andere, der dann Guillaume sein musste. »Und es hätte mich nicht gewundert, weil du doch heute nicht auf die Hilfe deines mächtigen Freundes zählen darfst.«
Gerome lachte verächtlich. »Um dir den Garaus zu machen, bedarf ich keiner Unterstützung.«
Heaven schlich zwischen den Grabmälern entlang, näher zu jener Stelle hin, an der die beiden Kontrahenten einander gegenüberstanden, um den Kampf um die Herrschaft über New Orleans auszutragen. Um die Ecke einer weißgetünchten Backsteinwand herum konnte Heaven sie beobachten.
Gerome kannte sie bereits. Guillaume war beinahe so schwarz wie Zefrem. Stellenweise jedenfalls. Denn an anderen Stellen begann der Schlamm auf seiner Haut bereits zu trocknen und bildete helle Flecken.
»Genug geredet.«
Gerome hatte gesprochen, und die letzte Silbe war kaum noch verständlich, weil sie bereits aus einer mutierenden Kehle kam. Das Sippenoberhaupt von New Orleans ließ der Bestie, die sich in ihm verbarg, freien Lauf. Sein Körper verformte, verwandelte sich in etwas, dessen Anblick einen Menschen um den Verstand bringen konnte.
Heaven beobachtete mit stoischer Ruhe weiter. Sie kannte Bilder wie dieses zur Genüge, bot es viel zu oft selbst.
Guillaume zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde. Auch er leitete die Verwandlung ein, doch bei ihm vermisste Heaven die Geschmeidigkeit, in der sie bei Gerome vonstattenging. Als wären Körper und Fähigkeiten Guillaumes »eingerostet« in der langen Zeit, da er zur Tatenlosigkeit verurteilt
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