Bad Dad
Höflichkeit, quer in die Warteschlange; hinter ihm dreissig Wartende, die in der Regel auch brav die Klappe halten und mit ihrer wortlosen Duldung dieses Verhalten immer akzeptabler werden lassen.
Eine weitere Person spriesst aus dem Boden, sieht mich flehend an, zeigt auf die kleine Red Bull Dose in der Hand und bittet wortlos um Vortritt. Na von mir aus, ich deute mit der Hand Richtung Kassa und fühle mich schuldbewusst, weil ich jetzt der Bösewicht aus der Sicht der Leute hinter mir bin, die eigentlich auch gefragt hätten werden müssen. Der Red Bull Käufer zaubert unerwartet eine Obst- & Gemüsetüte hervor, aus der plötzlich wesentlich mehr Waren geklaubt werden, als ich selbst im Wagen habe.
"Du Sau", denke ich mir. "Du gewissenlose Arschgeige."
Es sind immer die Red Bull Käufer, davon bin ich mittlerweile überzeugt. Denen darf man einfach nicht trauen.
Die Zeit vergeht, ich betrachte meinen Einkauf. Das Fruchtjoghurt, das im Regal noch frisch war, ist mittlerweile abgelaufen. Die Fleischkäse-Semmel ein aufgeweichter Schwamm aus Schweinefett und Brioche. Drei weitere Kundschaften müssen vor mir noch einräumen und bezahlen, logischerweise hat keiner einen Einkaufswagen.
Die Ware türmt und vermischt sich also im Auffangbereich, das grosse Suchspiel beginnt.
"War das Ihres?"
"Nein das ist meins."
Selbstverständlich ist auch jeder einzelne Käufer völlig überrascht und frappiert, dass hier, zum Abschluss der Transaktion, Geld ins Spiel kommen soll! Folglich wird nicht schon in den 15 Minuten Wartezeit zuvor das Börserl gezückt, sondern justament erst im letzten Moment.
Cargo-Hosen werden stirnrunzelnd abgeklopft, Handtaschen umgedreht und ausgeschüttet. Lippenstift, Autoschlüssel und Tampons kullern zwischen Brokkoli und Fruchtzwerg. Ja wo ist denn bloss die Geldtasche? Reisekoffer mit Zahlenschlössern werden geöffnet und nach Zahlungsmitteln durchstöbert, die Hundestaffel angerufen. Vergebens, die Brieftaschen sind zu gut versteckt.
Handys werden gezückt: "Du Schatzi, liegt mein Börsel auf dem Küchentisch?"
Nein, dort liegt es nicht, es ist doch tatsächlich in der Hosentasche!
"Vielen Dank, auf Wiedersehen, der Nächste bitte."
Die Folgekundschaft runzelt die Stirn.
"Zahlen, sagen Sie? Ach wo hab ich denn jetzt bloss mein Geld hingetan?"
Ich greife ins Tiefkühlregal neben mir und beginne auf die Person vor mir mit einer Steinofen-Pizza einzudreschen. Die Leute applaudieren, ich werde bejubelt und auf Händen durch die Filiale getragen. Man schenkt mir den Einkauf und ich komme auf die Titelseite der Bildzeitung. - All das passiert natürlich nicht, stattdessen räume ich meine Waren aufs Band und wieder rein in den Einkaufswagen, zahle den geschätzten Betrag in bar ohne die 13 Cent im Kleingeld zu suchen und gehe einpacken.
Das ganze dauert gestoppte 15 Sekunden. Ich multipliziere das mal acht Personen. Rein rechnerisch also zwei Minuten für die Schlange in der ich stand.
Stattdessen geht die Sonne unter, ein Wischmop verkeilt sich samt Reinigungsperson zwischen meinen Beinen. Ich entschuldige mich für meine Rücksichtslosigkeit. Hinter mir schliesst man die Filiale ab. Verdammt, ich hab das Katzenstreu vergessen.
14. TAG: KINDER IM JAHR 2021
Natürlich denke auch ich, wie jeder andere Vater, darüber nach in welcher Zukunft mein Junge mal aufwachsen wird. In etwa 10 Jahren erreicht er eine gewisse prä-pubertäre Selbständigkeit und Kaufkraft. Wenige Jahre später wird er als vollwertiges Mitglied der Konsum- und Shopping-Gesellschaft gelten. Interessant ist da unter anderem die Liste der Dinge, die er nie kaufen, besitzen oder überhaupt kennen wird. Viele Gegenstände, die heute alltäglich im Gebrauch sind, werden lediglich als mehr oder weniger bedeutungslose historische Artefakte in Museen oder als kuriose Requisiten in Filmen übrig bleiben. Kurz überlegt, fällt mir da gleich mal folgende Liste ein:
▪ Festnetz Telefone
▪ Briefmarken & Postämter
▪ DVD & CD Player
▪ Bargeld
▪ Kabelfernsehen
▪ Telefonbücher
▪ Festplatten
▪ Blaupapier
▪ Schreibmaschinen
▪ FAX-Geräte
▪ Röhrenfernseher
▪ Zigaretten
▪ Tageszeitungen
▪ Glühbirnen
▪ Videotheken
▪ Buchläden
▪ Delfin-Steaks
15. TAG: SPRACHVERWIRRUNGEN
Zwei Wochen sind geschafft. Alles läuft wie soweit glatt, wäre da nicht das Problem mit der Sprache. Der Kleine spricht einfach fürchterlich undeutlich. Wir versuchen, so gut es geht, aus
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