Bad Dad
hören uns schmunzelnd eine abartige 16-Minuten Version von Pink Floyds "Wish you were here" durch die geschlossenen Fenster an. Erinnerungen an missglückte Zungenküsse und verhedderte Digitaluhren werden in uns wach. Schweissnasse Hände unter pastellfarbenen Pullis, Erdbeer-Labello, Bundfaltenhosen und Dauerwellen.
"Running over the same old ground. What have you found? The same old fears..."
Thank God you're here.
18. TAG: DADDY STRANGELOVE, ODER WIE ICH LERNTE DIE TORTE AUFZUTAUEN
Soweit haben wir uns in unserer neuen Rolle als Vater und Mutter noch kein einziges mal angeschrien. Sicher gibt's Spannungsmomente, aber man sitzt halt im selben Boot und da macht es wenig Sinn, zu meutern. Gestern allerdings war Elternbesuch angekündigt, der Schwager (lässiger Kerl) und die beiden Schwiegereltern, lieb aber pflegebedürftig. Meine Eltern sind dann nächste Woche dran. Die ganze Kindesbeschau macht mich etwas unrund. Lieber wäre es mir, ich hätte ein bisschen Zeit alleine für mich. Aber es muss halt sein. Leider ist meine Frau ein manischer Over-Achiever in Sachen Elternbeglückung. Deswegen ist auch heute nicht zu vermeiden, dass ich meine Muskeln spielen lasse, wenn meine bessere Hälfte, kurz bevor der Besuch eintrifft, noch einen Kuchen backen will. Ich fuchtle also mit den Armen in der Luft herum und kreische hysterisch, dass das eine ganz blöde Idee sei, wo wir doch einfach eine Torte beim Supermarkt kaufen können. Die sind gut und billig. Überraschenderweise ist das auch tatsächlich das Ende der Diskussion und wir gehen runter in den Gastgarten der Pizzeria. Das Gespräch mit den Grosseltern ist entspannt, wir leiern unsere einstudierten Antworten runter und freuen uns dass das Essen endlich serviert wird. Wie erwartet, ist das Aufgetischte wieder mal von unterdurchschnittlicher Qualität. Ich analysiere mal kurz:
Da wäre die "Piccata Milanese": Drei gebackene Baseball-Handschuhe aus Kalbfleisch mit orange-neonfarbenen Nudeln. Ich bekreuzige mich in Gedanken, gottlob hab ich das Cordon Bleu bestellt.
Mein "Cordon Bleu": Das Fleisch genauso knusprig wie die Panier, ich schiebe jeden zweiten Happen zur Seite. Eigentlich ist es ein knorpeliges Schnitzel aus Schweinsleder, denn den Käse suche ich vergeblich, da hilft auch kein Drücken oder Quetschen. Als Beilage gähnende Leere bzw. extra Tellerfläche. Mein sogenannter "Kleiner Gemischter Salat" - der verspätet von drei schwitzenden Kellnerinnen serviert wird - nötigt uns einen weiteren Tisch anzudocken, welchen er dann auch komplett bedeckt. Die Bandscheiben springen mir aus der Wirbelsäule bei dem Versuch, über den Teller gebeugt, an eine Tomatenscheibe zu kommen.
"Gnocchi Quattro Formaggi": Meine verstorbene Grossmutter hat so ein glibberiges Saucen-Gericht seinerzeit immer als "geil" bezeichnet (lange bevor das Wort sinnentfremdet Einzug in den jugendlichen Sprachgebrauch hielt). Gemeint hat sie damit, dass eine Speise üppig bzw. sehr fettig war. Und diese Knotschi (wie sie manchmal hier in Wien heissen) waren definitv GEIL, im grossmütterlichen Sinn. Ich koste bloss eines und mein Verdauungstrakt macht die Schotten dicht. Im Spass sage ich, dass wir vielleicht besser einen "Audi Quattro Formaggi" bestellen hätten sollen. Niemand findet das komisch.
Oma und Opa verschlingen indes gebackenes Gemüse. Schonkost für die arteriell Gehandicapten. Früher hätte ich da vielleicht noch gelästert, oder im günstigsten Fall ernährungswissenschaftlich beratschlagt. Heute weiss ich, dass man besser die Klappe hält. Mein Vater hat es mal so schön und völlig ohne Ironie auf den Punkt gebracht: "Ein alter Mensch braucht Fett". Naja, sollte sich das dann zukünftig - wie ich vermute - als totaler Blödsinn erweisen, brauchen wir uns zumindest über die Grab-Inschrift nicht den Kopf zerbrechen.
Die Rechnung kommt, ich gehe, und zwar zum Supermarkt wo ich eine Trüffeltorte aus dem Eisfach hole. Ich zahle und sehe auf der Rückseite der Verpackung, dass die Torte etwa drei bis vier Stunden bei Zimmertemperatur auftauen muss. Na toll, jetzt muss ich das Ding irgendwie in der Mikrowelle weich kriegen. Ich drehe auf die niedrigste Stufe und das Baby schreit. Irgendwas wurde wieder angeschissen. Alarmstufe Kot. Zurück in der Küche entdecke ich zu meinem grossen Entsetzen, dass sich die Glasur eigenständig vom Dessert gelöst hat und jetzt als braunes Süppchen den Tortenrand umkränzt. Ich schneide den Nachtisch in der Mitte durch. Super,
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