Bädersterben: Kriminalroman
sie dann noch nebenan wohnen würde?
7 Etwas andere Vorstellungen
Eine Türklinke gab es an der Polizeiwache von Sankt Peter nicht. Nachdem Kommissar Hansen den Klingelknopf betätigt hatte, öffnete ihm eine junge Frau in Polizeiuniform die Tür. Sie trug kurze blonde Haare, hatte eine sportliche Figur und begrüßte ihn ausgesprochen freundlich. Dann sah sie ihn erwartungsvoll an. Natürlich würde er ihr nicht sein Anliegen unterbreiten, das ging nur den Revierleiter Clausen etwas an. So nickte Hansen nur kurz und legitimierte sich. Sie ließ ihn hinein, schloss die Tür hinter ihm und bat ihn, sich an den kleinen Besprechungstisch zu setzen. Hansen wunderte sich, dass sich die junge Frau einfach zu ihm setzte und das Gespräch eröffnete.
»Tut mir leid, Kommissar Hansen, die Kollegen hatten heute Morgen wegen des Mordfalls an der Arche keine Zeit, noch einen Kaffee aufzusetzen. Ich hoffe, dass es auch ohne Koffein gehen kann, denn sie kommen sicherlich wegen des Mordes am Pfahlbau zu uns, richtig? Schießen Sie los, wie kann ich Sie unterstützen?«
Glücklicherweise hing im Raum kein Spiegel, der Hansen seinen verdatterten Gesichtsausdruck zurückgeschmettert hätte. Beim besten Willen würde er hier doch nicht mit einer nachgeordneten Kollegin aus dem Vollzug Dinge besprechen, die sie absolut nichts angingen. Er wand sich und überlegte, wie er ihr diese Botschaft schonend, aber zugleich eindeutig überbringen konnte.
»Bei allem Respekt, verehrte Kollegin, genau das wollte ich eigentlich mit Ihrem Revierleiter besprechen. Nehmen Sie mir das bitte nicht übel, aber meine Zeit ist knapp bemessen. Wenn Sie jetzt den Kollegen Clausen informieren könnten, dass ich eingetroffen bin, dann könnten wir beide wieder unseren eigentlichen Aufgaben nachgehen.«
Ein wenig zuckte Kommissar Hansen schon über seine eigene schroffe Art zusammen, mit der er diese Berufsanfängerin abwetterte, aber sein Fall war schließlich kein Honigschlecken. Die junge Polizistin musterte ihn kühl. Dann entschuldigte sie sich kurz, bevor sie aufstand und wortlos in einen Nebenraum entschwand. Hansen war erleichtert, dass die junge Polizistin seine Ansprache offensichtlich richtig einordnen konnte. Von Revierleiter Clausen hätte er schließlich schon gern eine Einschätzung der Lage erhalten, ob der Mord in Sankt Peter sozusagen ortsbedingt einzuschätzen war oder ob das tatsächlich ein ähnlich gelagerter Fall wie der auf Sylt sein könnte, der selbst den Ministerpräsidenten nicht mehr schlafen ließ.
Revierleiter Clausen bemühte sich zwar immer noch nicht zu ihm, doch immerhin schleppte unerwartet die junge Polizistin jetzt eine Kanne mit wohlriechendem, frisch gebrühtem Kaffee an. Sie stellte einen weißen Porzellanbecher mit schwarzen Kuhfellflecken vor ihm auf den Tisch und schenkte ihn vorsichtig voll. Dann übernahm sie die Konversation.
»Die Milch ist sauer geworden, aber die trinken in Nordfriesland sowieso nur die Schulkinder. Geht doch auch ohne Milch für Sie, oder?«
Eigentlich ging beim Kaffee nichts ohne Milch für Hansen, aber er bejahte schnell, denn er wollte nicht mehr länger von der jungen Kollegin eingenommen werden. Die Hartnäckigkeit dieser jungen Kaffeetante, die er nicht einmal von seiner eigenen Ehefrau kannte, war schon erstaunlich. Hansen versuchte vorsichtig, das heiße Gebräu mit kleinen vorsichtigen Schlucken in seinen Hals gleiten zu lassen. Wie konnte er ihr nur endgültig beibringen, dass er jetzt auf der Stelle ihren Revierleiter sprechen wollte?
Die junge Polizistin kam ihm zuvor. »Lieber Kollege, Sie müssen jetzt ganz tapfer sein. Es ist richtig, dass der Revierleiter Clausen heißt, aber er ist eine Frau. Sie müssen schon mit mir vorlieb nehmen. Ich hoffe, Sie haben da keine Vorurteile. Ich bin Christiane Clausen, Revierleiterin der Polizeiwache von St. Peter-Ording.«
Kommissar Hansen war baff. Eigentlich hatte er etwas andere Vorstellungen von der Führungsposition einer Polizeiwache an der Westküste. Die Vorstellung, dass in diesem Landesteil neben der Schlichtung von handfesten Auseinandersetzungen innerhalb des Küstenvolkes höchstens einmal ein Pferdeschlitzer gejagt wurde, die war längst überholt. Ohne Grund schien sie jedoch ihre Aufgabe nicht übertragen bekommen zu haben. Sie war immerhin ein Kind der Region, und mit den manchmal überheblichen Feriengästen würde sie sicherlich auch gut klarkommen. Der Kommissar schüttelte lächelnd den Kopf.
»Nein, keine
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