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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Geisler
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Knall von der Terrasse ließ alle Akteure erstarren. War das der große Unbekannte, der von einer erhabenen Position aus einfach alles wegknallte, was ihm im Wege stand? Er richtete sein Kaleidoskop auf die Arche und versuchte, durch aufgeregtes Wedeln mit seinen Schwingen wenigstens einen Moment in der Luft stehen zu bleiben, um zumindest den Ansatz einer Figur oder eines Gesichtszuges auszumachen. Richtige Flieger wissen allerdings, dass ein Flugkörper nicht so einfach in der Luft stehen kann. Er stürzte ab, allerdings wurden schnell aus den verbleibenden 30 Metern zum Sand 300, dann 3000. Er schien nun die Erdanziehungskraft endgültig überwunden zu haben und wie eine Rakete dem Erdball zu entgleiten. Dann verspürte er einen unerwartet harten Aufprall. Er blickte sich um. Offensichtlich lag er flach wie eine Schildkröte auf seiner Sonnenterrasse in St. Peter-Ording.
    Ein vertrautes Gesicht, das allerdings durch eine verspiegelte Polizistensonnenbrille zuerst nicht zu identifizieren war, starrte ihn von der Nachbarterrasse mit besorgten Stirnfalten an. »Stuhr, alles in Ordnung mit dir?«
    Das konnte nur sein ehemaliger Oberamtsrat Dreesen sein. Braun gebrannt wirkte er hier auf den ersten Blick weltmännisch wie ein Flavio Briatore der Landesverwaltung, aber früher war er eigentlich nur ein kleinkarierter Korinthenkacker gewesen. War Stuhr denn tatsächlich schon wach, oder träumte er noch?
    Bevor er Dreesen antworten konnte, trat jetzt seine Nachbarin hinter Dreesen hervor. »Ach, die Herren kennen sich? Dann will ich nicht weiter stören.«
    In seiner Rückenlage bekam Stuhr mit, dass sich die Blondine tatsächlich auf den hinteren Bereich ihrer Terrasse zurückzog, aber sie schien in Hörweite zu verharren. Dreesen kam näher und beugte sich über ihn, um ihm hoch zu helfen, und so konnte Stuhr seine erste brennende Frage Dreesen zuflüstern. »Was machst du denn hier?«
    Dreesen zuckte mit den Schultern und verwies mit dem Daumen wortlos auf die Blondine hinter sich.
      »Hat die etwa auch eine Genehmigung für den Sand?« fragte Stuhr bissig nach. Den folgenden Blick von Dreesen kannte Stuhr von seinen beiden verflossenen Ehefrauen, wenn die gelogen hatten. Er schien mit sich zu kämpfen, aber er blieb immerhin ehrlich. »Ja, sie auch. Aber einmal ganz im Ernst, Stuhr. Würdest du denn dem blonden Brenner irgendetwas verweigern? Das ist doch endlich einmal eine tolle Frau.«
    Damit hatte Dreesen sicherlich recht, aber andererseits musste sich ein Landesbeamter auch an gewisse Grundsätze halten, für die er einen Eid abgelegt hatte. Mühselig versuchte Stuhr, sich vom Boden aufzurappeln. Dann zog er Dreesen zu seiner Sitzecke, wo sie die Blondine nicht hören konnte. »Sag mal, Dreesen, wie hast du die Genehmigungen eigentlich durchbekommen? Normalerweise müssen doch zig Leute mit unterschreiben, die oben in der Zeichnungssäule des Antrags stehen.«

    Wegen der Sonnenbrille konnte er nicht erkennen, ob Dreesen einen schelmischen Blick aufgesetzt hatte. Sein Mund verzog jedoch keine Miene, als er sich zur Sache äußerte. »Die Vertikalmöwe, Stuhr. Die hat bis jetzt bei mir immer funktioniert.«
    Oh je. Normalsterbliche konnten mit dem Begriff nichts anfangen, aber Stuhr kannte diese Unart der Abkürzung im Verwaltungsdschungel von früher, wenn anstelle der einzelnen Abzeichnungen der Fachreferenten mit der Unterschrift hinter allen Laufzeichen irgendein aufgeblasener Abteilungsleiter das Verfahren abkürzte und einfach mit einer geschweiften Klammer für alle unter ihm Stehenden mitzeichnete. Das meinte Dreesen mit Vertikalmöwe. Wenn man Liebling der Hausspitze war, dann ging das meistens durch, aber wenn auch nur irgendetwas schiefging, dann konnte man schnell von den übergangenen Kollegen gelyncht werden.

     
    Dreesen focht das nicht an. »Warum sollte ich das nicht tun, Stuhr? Im Verwaltungskrieg kannst du nicht auf jedes Einzelschicksal Rücksicht nehmen. Fragst du viele, bekommst du viele Rückläufe, und die Laufmappen häufen sich auf dem Schreibtisch bis ins Unermessliche. Ich will nicht wie die Kollegen enden, deren Schreibtische mit Aktenbergen überhäuft sind. Verwaltung muss flutschen und für den Menschen da sein. Warum sollten die von mir ermächtigten Personen nicht wie tausend andere auf dem Watt herumgondeln, von den abgedrehten Strandseglern einmal ganz abgesehen? Wenn ich schriftlich eine plausible Erklärung von einem Steuerzahler bekomme, der meint, auf dem Sand

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