Bädersterben: Kriminalroman
überhaupt nicht, vom Innenminister vorgeführt zu werden, und auch auf das hämische Grinsen seines Büroleiters Zeise konnte Hansen gut verzichten. Er verabschiedete sich gedankenversunken von der Revierleiterin und trottete unwillig auf dem Deich zurück zur Unglücksstelle. Heute schien nicht sein Tag zu sein.
8 Terminal eins
Fast hätte Stuhr im Morgennebel das kleine weiße Schild übersehen, das ihn auf den Flughafen hinwies. Er musste hart bremsen und ordentlich am Lenkrad kurbeln, um die Abbiegung in einer Einkerbung eines steilen ehemaligen alten Deichs, der ihn seit Kilometern auf der verlassenen Landstraße linkerhand von St. Peter-Ording begleitet hatte, nicht zu verpassen. Jetzt führte ihn eine kleine asphaltierte Straße an einem durchfeuchteten, frisch gepflügten Acker entlang, der wie geschaffen für eine glitschige Notlandung erschien. Das gab doch Hoffnung für den Rückflug, stellte er lächelnd fest. Er musste noch einmal über die Schauermärchen von Dreesen über die angebliche Gefährlichkeit des Fluges lachen, die er ihm gestern am Telefon vermittelt hatte. Nein, das alles würde inzwischen schon alles seinen richtigen Weg gehen. Schließlich war die Luftfahrt im 21. Jahrhundert hoch technisiert, da ließ er sich von Dreesen nicht bange machen. ILS und so weiter. Der Flug nach Helgoland würde nicht mehr als ein kurzer Hüpfer über die Kegelrobben werden.
Wenig später tauchte aus dem Nebel schemenhaft ein kleiner Zweckbau auf, dem ein Glaskasten aufgesetzt war. ›Flughafen Heide-Büsum‹ stand auf einem blauen Schild davor, hier schien er richtig zu sein. Er stellte seinen alten Golf auf dem dazugehörigen Parkplatz ab, der nur noch einen anderen Kleinwagen mit einem Aufkleber von der Langen Anna beherbergte. Immerhin schien er nicht der einzige Fluggast zu sein. Er musste den geschlossen wirkenden Bau umrunden, um den Eingang zu finden. Die Tür ließ sich jedoch problemlos öffnen. Na also, seinem Ausflug stand nichts mehr im Wege.
Im Flur, der mehr einem Einfamilienhaus glich als einem Abfertigungsgebäude, stand ein befüllter Prospekthalter. ›Flugplan Sommer‹ titelte die rot-weiße Broschüre der Friesischen Fluggesellschaft, und neben einem unglaublich umfangreichen europa- und weltweiten Streckenplanteil wurde weiter hinten die Luftflotte vorgestellt, auch die kleineren Maschinen. Die wirkten mit ihrer schnittigen rotweißen Lackierung eigentlich recht vertrauenerweckend. Sicherlich hatte ihm sein alter Oberamtsrat nur aus Spaß Angst machen wollen. Er steckte ein Exemplar für Dreesen ein.
Es war jetzt 9 Uhr und damit noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Start. Im Flur war keine Menschenseele zu entdecken, und so spähte Stuhr um die Ecke, doch in der dahinter liegenden kleinen, gemütlichen Teeküche saß auch niemand. Vermutlich gehörte das Fahrzeug auf dem Parkplatz mit dem Helgoländer Aufkleber einem der Ankömmlinge.
Stuhr machte sich bemerkbar. »Hallo, ist hier jemand?«
Wenig später hörte er jemanden die Wendeltreppe herunterpoltern, an deren oberen Ende sich der Glaskasten auf dem Dach befand, von dem aus vermutlich der Flugbetrieb geregelt wurde. Eine große Hand streckte sich ihm entgegen.
»Willkommen auf dem Airport Heide-Büsum. Kaffee gibt es gleich in Terminal 1 . Ich bin übrigens Thies Theißen, ich leite den Flugbetrieb hier.«
Nachdem Stuhr dem jungen, kräftigen Mann die Hand geschüttelt hatte, bedeutete dieser, ihm zu folgen. In der kleinen Teeküche saß jetzt eine nicht unattraktive zierliche Frau am Küchentisch und grüßte ihn gedankenverloren. Stuhr wunderte sich, woher die Dame so plötzlich gekommen war. Er grüßte lächelnd zurück, denn heute würde er wenigstens nicht allein sterben.
Stuhr musste innerlich schmunzeln. Dieser Raum war also das Terminal 1 .
Theißen setzte einen Kaffee auf und brummelte vor sich hin. »Sieht nicht gut aus heute Morgen. Die Luftfeuchtigkeit ist zu hoch, da kann sich der Nebel lange halten.«
Stuhr nickte zum Dank, als der junge Mann ihm einen heißen Becher Kaffee reichte. Dann gab Theißen den zweiten Becher der Mitreisenden. War es Absicht, dass ihre Hand seine Finger streifte, als sie ihm mit verstohlenem Blick den Becher abnahm? Ach was, Theißen war mindestens zehn Jahre jünger als sie, und auch äußerlich waren sie sehr unterschiedlich, der kräftige hochgewachsene Flughafenleiter und die zierliche Dame. Nur nichts einbilden, sagte sich Stuhr und lenkte sein Interesse auf das
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