Bädersterben: Kriminalroman
Vorurteile, nichts für ungut, Frau Revierleiterin Clausen. Entschuldigen Sie mich, aber mein Oberkommissar hat mich auf die falsche Fährte gesetzt.«
»Schon in Ordnung. Alle meine Leute sind bereits für Sie im Einsatz, Kommissar Hansen. Was kann ich noch für Sie tun?«
Hansen wurde ernst. »Eine ganze Menge. Wir müssen endlich irgendeinen Tatzeugen finden, sonst kommen wir nicht weiter. Irgendwie muss das Opfer ja unter die Arche gekommen sein. Ein gewisser Michael Reinicke von der Insel Helgoland übrigens.«
Christiane Clausen nickte. »Das habe ich auch gerade von meinen Leuten gehört. In der Tat, die Begleitumstände sind ungewöhnlich. Durch die ablaufende Flut sind ja leider alle möglichen Spuren verwischt worden. Für den alten Timm lege ich meine Hand ins Feuer, der hat nichts mit der Sache zu tun. Aber ansonsten treiben sich nachts eine Menge Menschen auf dem Sand herum.«
Das überraschte Hansen. »Aber doch nicht bei diesem Unwetter, oder?«
Sie blickte ihn grübelnd an. »Täuschen Sie sich nicht, Kommissar Hansen. Auch bei schlechtem Wetter fahren wir Patrouillen, solange das geht. Das Bedienpersonal muss immerhin an Land gekarrt werden, ebenso die Badeaufsicht, und ein Haufen Verrückter tobt sich gerade dann mit seinen Sportgeräten auf dem menschenleeren Sand aus. Strandsegler, Surfer, Drachenfans. Zudem überfliegen Hubschrauber und Sportflugzeuge mit sensationslüsternen Reportern oft den Strandgürtel, um spektakuläre Aufnahmen von der Naturgewalt in die Tagesschau zu lancieren.«
»Aber wie sollen wir an die alle herankommen, Frau Clausen? Mehr Wirbel können wir uns hier beim besten Willen nicht leisten.«
Die junge Kollegin zuckte ratlos die Schultern. »Das wird schwierig werden. Wenn Sie wollen, kann ich mich auf dem Flugplatz in Büsum erkundigen, ob gestern Nachmittag noch Flugbetrieb war. Vielleicht ergibt das einen Hinweis. Weg komme ich hier sowieso nicht, solange meine Kollegen alle noch im Einsatz sind.«
Der Kommissar nickte zustimmend. »Gute Idee. Dieser Reinicke, Frau Clausen. Wie kann er ansonsten von Helgoland nach St. Peter-Ording gekommen sein? Soweit ich weiß, geht die nächste Schiffsverbindung nach Helgoland von Büsum aus. Wo hat er hier gewohnt und mit wem hatte er Kontakt? Wieso wurde er zum Opfer? Wer könnte ein Motiv haben? Das sind die Fragen, die mich bewegen. Wir brauchen Ergebnisse!«
Die Revierleiterin nickte gelassen. »Herr Kommissar, meine Leute sind bereits alle für Sie unterwegs. Ihre Frage nach Tatzeugen bewegt uns doch genauso. Vielleicht sind meine Kollegen inzwischen ein Stück weitergekommen.« Sie hielt die Kanne hoch, um noch einen Kaffee anzubieten. Hansen schaute grimmig, denn sein Magen reagierte auf die schwarze Brühe zunehmend empfindlich. Die junge Revierleiterin ergriff nun den Hörer des Telefonapparats auf dem Tresen und wählte eine Nummer. Hansen hörte sie intensiv mit ihrem Gesprächspartner debattieren, zeitweise war sie mehr am Zischeln als am Sprechen. Nachdenklich legte sie wenig später auf.
»Die Flughäfen auf Eiderstedt wurden wegen des aufkommenden Sturms am Sonntagnachmittag alle gesperrt. Ich habe eben gerade mit Thies Theißen, dem Flughafenleiter des Büsumer Flughafens gesprochen. Zwar war Reinicke am Donnerstagmorgen für einen Flug von Helgoland nach Büsum gebucht, aber Theißen schwört Stein und Bein, dass der nicht mit der Maschine auf seinem Flugfeld angekommen ist. Er muss auf einem anderen Weg von der Insel nach Sankt Peter gekommen sein.«
Der Kommissar stutzte. »Wie zuverlässig ist denn die Aussage des Flughafenleiters?«
Sie blickte ihn geradeheraus an, als sie ihr Gift versprühte. »Kommissar Hansen, Thies Theißen kenne ich schon von der Schule her. Der ist über jeden Zweifel erhaben. Wenn der etwas behauptet, dann hat das Hand und Fuß.«
Hansen wagte nicht, zu widersprechen.
Clausen wählte erneut eine Nummer und meldete sich mit ihrem Vornamen. Nach einigen Sätzen schüttelte sie den Kopf.
»Keine neuen Erkenntnisse bei meinen Kollegen im Ort. Als wenn dieser Reinicke nicht hier gewesen wäre. Wir werden Plakate mit dem Passfoto des Opfers im Ort und in Büsum aufhängen.«
Ob das eine gute Idee war, die Öffentlichkeit noch weiter aufzuschrecken, wagte Hansen zu bezweifeln. Ungeduldig blickte er auf sein Handy, aber dort tat sich nichts. Kein Anruf, keine Meldung. Wenn er nicht bald den ersten Anhaltspunkt hatte, dann musste er sich warm anziehen. Sein Chef liebte es
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