Bädersterben: Kriminalroman
herumgurken zu müssen, warum soll ich ihm das denn verweigern? Verwaltung muss unbürokratisch und bürgernah sein, Stuhr.«
Dreesens Ausführungen standen im krassen Gegensatz zu dem, was Stuhr früher wegen dessen Dünnhäutigkeit mit ihm hatte durchmachen müssen. Stuhr zog das Gespräch in seichteres Fahrwasser. »Woher kennst du die Blondine eigentlich?«
Dreesen nahm jetzt die Sonnenbrille ab und blickte ihn harmlos wie ein frommes Lamm an. »Na, hier aus Sankt Peter natürlich, woher denn sonst?«
Das verstand Stuhr nicht. »Aber du bist doch eigentlich blank. Wie bist du denn an die Blondine herangekommen?«
Dreesen hielt den Zeigefinger vor den Mund und sah ihn missbilligend an. »Mensch, Stuhr. Du wirfst mir aber unangenehme Dinge an den Kopf. Nicht, dass sie das mitbekommt. Warum fragst eigentlich ausgerechnet du mich das? Du weißt doch am besten, wie das läuft. Man lernt sich beim Glas Wein kennen, und dann ergänzt man sich eben.«
Ergänzen. Das war schon ein großes Wort aus dem Mund von Dreesen, der sich ja gerade mit Hauen und Krachen notgedrungen aus der Ehe mit seiner Olsch verabschieden musste.
»Was hast du denn in die Beziehung eingebracht, Dreesen?«
Sein alter Oberamtsrat zuckte mit den Schultern. »Na ja, sie hat keinen Führerschein. Früher hatte sie sogar einen Fahrer. Ich fahre sie zu den Plätzen, die sie besuchen möchte. Dafür lädt sie mich stets auf einen Kaffee oder einen Prosecco ein. Auch die Sonnenbrille ist ein Geschenk von ihr. Gucci steht an der Seite. Ist, glaube ich, eine italienische Firma, aber ich kenne die nicht. Sie scheint jedenfalls sehr vermögend zu sein, und endlich ist es einmal eine Frau, die keinen Igel in der Handtasche hat. Das ist doch für beide Seiten gut.«
Stuhr konnte sich schon denken, dass Dreesen sich zur Einbringung seines Anteils wieder einmal einen Wagen von der Fahrbereitschaft ausgeliehen hatte. Er ließ nicht locker. »Und weiter?«
Dreesen schien ehrlich zu bleiben. »Sie hat keinen Mann, keine feste Beziehung. Sie liebt es, auch einfach einmal an einem starken Arm durch Sankt Peter zu promenieren.«
Jetzt wollte sich Stuhr das Lachen nicht mehr verkneifen. »Aber Dreesen, du bist doch mindestens eine Handbreit kleiner als sie. Schaust du denn nie in den Spiegel? Das ist doch keine Ergänzung, das nenne ich schlicht Mängelverwaltung.« Es war zu spät, sich auf die Lippen zu beißen, denn Dreesen zog mit enttäuschter Miene ab. Stuhr rief seinem alten Oberamtsrat hinterher. »He, Dreesen, ich bin kein Klugscheißer. Glaube mir, ich weiß es wirklich besser!«
Aber Dreesen antwortete nicht mehr. Er hatte offensichtlich das Weite gesucht. Sei es drum, sagte sich Stuhr. Er ließ sich wieder auf die Liege plumpsen und versuchte, an die Traumsequenz mit dem großen Unbekannten auf der Arche anzuknüpfen. Das gelang ihm aber nicht mehr, und irgendwie wurde auch noch die Sonne verdeckt.
Der Geruch von großzügig aufgetragener Sonnencreme ließ ihn die Augen öffnen. Die Blondine hatte sich über ihn gebeugt. »Das haben Sie aber fein gemacht. Der Herr liebt es offensichtlich, Schicksal für andere zu spielen. Wenn Ihr Bierrausch verflogen ist, dann könnten wir uns ja einmal ernsthaft unterhalten, Sie blasierter Heini. Ich bin um 19 Uhr unten an der Bar. Einen schönen Nachmittag wünsche ich Ihnen noch.«
Oh je, die Dame war stinksauer. Sie drehte sich resolut um und begab sich zurück in ihr Appartement. Einen knackigen Po hatte sie aber, konnte Stuhr noch augenblinzelnd feststellen. Mit der Ruhe war es jedoch bei ihm vorbei.
25 Helgoländchen
Beim Anblick des Katamarans kamen bei Olli zunächst unangenehme Gedanken an die letzte Überfahrt auf. Der Kapitän hatte ihn jedoch bereits erwartet und begrüßte ihn wie einen alten Bekannten. Er zog ihn schnell an der Mannschaft vorbei, die gelangweilt ihre Pause absaß, und bugsierte ihn auf die Kapitänsbrücke. Dort lachten sie noch einmal im Nachhinein gemeinsam über den Horrortrip vom Vortag. Dann konnte Olli seinen Müllsack in Empfang nehmen, den der Friedhofsarbeiter auf Bitte von Kommissar Hansen beim Kapitän abgeliefert hatte. Olli zog sich auf der Toilette schnell um und stopfte den Kittel in den Müllsack. Dann verließ er das Schiff. Der Kapitän des Katamarans winkte ihm zum Abschied noch einmal freundlich von der Brücke zu und hielt den Finger auf die Lippen. Der würde offensichtlich Schweigen wie ein Grab.
Endlich konnte Olli wieder normal durch die Gegend
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