Bädersterben: Kriminalroman
noch einmal aufraffen würde und die Genehmigungen für das Befahren des Wattenmeers neu überprüfen würde, dann wäre er endgültig wieder auf der Spur. Stuhr verabschiedete sich und beendete das Gespräch.
Das Handy vibrierte schon wieder. Kommissar Hansens Name war auf dem Display zu lesen. Der hätte ja vorhin mit ihm reden können. Beleidigt stellte Stuhr sein Telefon auf lautlos und steckte es wieder in die Tasche. Nein, er musste sich zunächst um Jenny kümmern. Die hatte sich inzwischen angekleidet, ihren Koffer gepackt und saß mit versteinerter Miene abholbereit auf ihrem Bett. Stuhr ließ die Plastikkarte mit der neuen Zimmernummer vor ihrer Nase baumeln, woraufhin sich ihre Gesichtszüge lockerten. Sie ließ sich in den Arm nehmen, und als sie gemeinsam die eingetretene Tür durchschritten, strahlte sie ihn bereits wieder an. Auf dem Flur überlegte Stuhr kurz, ob er sie nicht doch über die Schwelle in das neue Hotelzimmer tragen sollte. Aber er übte sich in Zurückhaltung und ließ ihr den Vortritt in den lichtdurchfluteten Raum, der sich als Luxussuite entpuppte, was Jennys Laune noch einmal deutlich beflügelte.
»Warum haben wir das nicht gleich gebucht, Helge? Sind wir uns denn gegenseitig nicht gut genug?«
Während Stuhr noch nach einer Antwort auf ihre an der Realität vorbeizielende Frage rang, zog sie die dicken Vorhänge zu und ihn auf das Bett. »In der Horizontalen kann man besser nachdenken, Helge.«
Das bezweifelte Stuhr stark, doch nach einer kurzen Knutscherei begann Jenny ungefragt, von sich zu erzählen. Sollte sie ihr Leben lang etwa in der Fischverarbeitung ihres Vaters darben? Sie war jung und schön, und die Männer legten ihr die Welt zu Füßen. So war sie an Heidenreich und Duckstein geraten, und sie hatte dadurch viel von der großen weiten Welt mitbekommen. Geld spielte keine Rolle, und am Wochenende ging es oft mit dem Flieger nach London oder Paris zum Shoppen. Gegessen und geschlafen wurde nur in den ersten Häusern, und nach Konzerten von Udo Jürgens und James Last konnte sie mit den Künstlern dank der Geschäftskontakte ihrer Männer in den VIP-Lounges näher ins Gespräch kommen.
Stuhr stellte ihr die Frage, die man Frauen eigentlich nicht stellen darf. »Warum bist du jetzt nicht mehr mit Duckstein oder Heidenreich zusammen, wenn das alles so schön war?«
Jenny antwortete entwaffnend offen. »Geld ist nicht alles, Helge. Beide waren angeblich oft dringend geschäftlich irgendwo unterwegs, aber so richtig habe ich nie gewusst, was wirklich ablief. Sie hielten mich für dumm. Ich habe beiden vertraut, doch irgendwann war das auch aufgebraucht. Ich habe dir schon einmal an der Bar gesagt, wenn ich einen Mann begehre, dann muss der groß wie ein Schrank sein. Ich muss mich in seine Arme fallen lassen können, so wie bei dir. Dieter und Richard wollten bei mir immer nur am Busen einschlafen.«
Stuhr nickte daraufhin verständnisvoll und auch ein wenig verächtlich ob ihrer Verflossenen, obwohl er sich eingestehen musste, dass auch er genau das jetzt am liebsten bei ihr tun würde. Behutsam half er ihr, sich von ihrer Kleidung zu befreien.
33 Wechselbad
Der Flug mit dem Hubschrauber verlief ruhig, und keine 20 Minuten später landeten sie auf dem verwaisten Hubschrauberlandeplatz des ehemaligen Marinefliegerkommandos, das jetzt zum Unmut der Helgoländer über Afghanistan wirbelte. Hansen und Ten Hoff kletterten aus der Kanzel und verließen das Gelände zur Strandpromenade hin. Viele Orte aus Stuhrs Berichten wurden schlagartig lebendig. Die Hummerbuden, das Inselkrankenhaus, die Börteboote und schließlich der Fahrstuhl zum Oberland. Noch lebendiger war aber der junge Mann, der ihm händchenhaltend mit einer hübschen jungen Dame lässig entgegengeschlendert kam. Es war Olli, der ihn jedoch nicht erkannte, weil dessen Aufmerksamkeit ausschließlich der jungen Frau galt, die er fest an der Hand hielt.
Das war doch kaum zu glauben. Während Ten Hoff und er sich unter Einsatz ihres Lebens die Hacken wund liefen, schäkerte Olli herum und Stuhr sprang durch die Betten. Wenigstens war es bei der Hitze angenehm, keine Treppen steigen zu müssen, und so betraten sie erwartungsvoll das Hotel Panoramic, das verlassen wirkte. Die großen Panoramascheiben waren noch verhängt, und da kein Licht brannte, war es recht dunkel im Schankraum.
Erst spät bemerkte Hansen, dass sich ein Schatten hinter dem Tresen löste und auf sie zukam. »Gestatten, Rasmus
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