Bahners, Patrick
theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten wird
nicht nur von Laizisten gefordert. Von Zeit zu Zeit lassen sich einzelne katholische
Bischöfe zum Spiel mit diesem Gedanken hinreißen, aus Sorge um die Reinheit
der Lehre. Aber würde sich eine kirchliche Theologie, die in der Abgrenzung
von einer korrupten Außenwelt ihre Identität sähe, nicht erst recht in die
intellektuelle Abhängigkeit vom Gegner begeben? Vor entsprechenden Fragen
werden auch die Muslime stehen, an die der Staat die Einladung richtet, sich so
weit zu organisieren, dass sie an der Auswahl von Professoren der islamischen
Theologie beteiligt werden können.
Der Satz vom Islam als Teil Deutschlands sagt nicht, was
aus dem neuen konfessionellen Mischungsverhältnis folgt. Er setzt lediglich
voraus, dass es nicht folgenlos bleiben wird. Gegenüber den dogmatischen
Hygienikern aller Bekenntnisse ist der Satz in robuster Weise neutral. Den
Christen, die damit zurechtkommen müssen, dass sie sich den öffentlichen Raum
mit Muslimen teilen, kann der Staat nicht helfen. Wenn die Islamisierung
Deutschlands unterbleibt oder die Eindeutschung des Islam gelingt, dann wird
das ein Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen sein, zu dem
Warnungen und Wünsche des Bundesinnenministers kaum etwas beigetragen haben
werden. So stieß Schäubles bei jeder Gelegenheit bekräftigter Satz in der
Öffentlichkeit nur auf vereinzelten Widerspruch. Um ihn zu bestreiten, hätte
man Deutschland zum christlichen Staat erklären müssen. Doch diese Position des
romantischen Konservatismus ist seit der Emanzipation der Juden obsolet. Warum
rief Bundespräsident Wulff dann mit dem Satz, der Islam gehöre inzwischen auch
zu Deutschland, einen Sturm der Entrüstung hervor? An den Bundespräsidenten
richten sich andere Erwartungen als an den Bundesinnenminister. Die
Islamkonferenz wurde mit einem sicherheitspolitischen Zweck gerechtfertigt.
Schäuble wollte den Muslimen Gründe nehmen, dem Staat nicht zu vertrauen, um
Extremisten das Geschäft zu erschweren. Rhetorische Gesten des guten Willens
mochten auch nach Meinung von Leuten, die den Islam für undeutsch hielten, in
diesem Kontext ihren begrenzten Sinn haben. Während Innenminister die Lage so
schildern, wie sie ist, bisweilen vielleicht notgedrungen etwas
schönfärberisch, soll der Bundespräsident die öffentlichen Dinge so
beschreiben, wie sie sein sollen. Der Satz «Auch der Islam gehört zu
Deutschland» wurde als normativer Satz verstanden, als Aufforderung an die
Bürger, Muslimen in jeder erdenklichen Weise entgegenzukommen, weil es die
Pflicht des Präsidenten ist, Worte für die Ideale der Bürgerschaft zu finden.
Die «Bild»-Zeitung gab dem Artikel, in dem sie Protestbriefe an Wulff
dokumentierte, die Überschrift: «Warum hofieren Sie den Islam so, Herr
Präsident?»
Die Schlagzeile war ein Geniestreich der professionellen
Tücke. Sie gab dem Zorn, dessen Zeugnisse die Redaktion auf den Internetseiten
des Präsidialamts gesammelt hatte, eine politische Richtung, indem sie
nahelegte, der Präsident sei aus der Rolle gefallen. Das Staatsoberhaupt
unserer Republik ist aufs Repräsentative beschränkt. Der eigentliche Sinn
seiner Äußerungen liegt im Symbolischen. Insofern gelten für den
Bundespräsidenten noch die Verhaltensregeln der höfischen Gesellschaft. Wenn
Wulff den Islam hofiert hatte, dann hatte er seine um der Würde der Republik
willen herausgehobene Stellung freiwillig eingetauscht gegen die Position des
Höflings, eines unterwürfigen, jämmerlichen Bittstellers - gegenüber einer
illegitimen, fremden und abergläubischen Macht. Mit einer Ergebenheitsadresse
an die Muslime hatte er die Souveränität Deutschlands weggeschenkt. Die
Politiker haben es heute mit einer neuen Öffentlichkeit zu tun. In
Internetforen ballt sich der Unmut von Zeitgenossen, die sich als Betrogene und
Ausgeschlossene definieren, weil ihnen der Gang der Dinge nicht passt. Sie sind
jederzeit bereit, die politische Ordnung für illegitim zu erklären, und
beziehen in ihr Verdikt, der Mehrheitswille werde von korrupten Eliten
sabotiert, den professionellen Journalismus ein, im Jargon: die
Mainstream-Medien, kurz MSM. Ein Lieblingsbild für die Verkehrtheit der
Verhältnisse ist der Kotau der Mächtigen vor den Gewalten einer sinistren
Hinterwelt. Indem Deutschlands meistgelesene Zeitung Wulff mit der Anklage konfrontierte,
er habe den Islam hofiert, machte sie sich den Verdacht zu eigen, das
Gemeinwohl
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