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Bahners, Patrick

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Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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zum
Säkularen?» Die polemische Zuspitzung bringt an den Tag, dass die Islamkritik
auf die Frage nach dem gebotenen Umgang mit den Verstockten keine Antwort hat.
Dass man auf osmotische Prozesse der Zivilisierung, auf Hybridbildungen des
Frommen und des Säkularen, auf die Zeit setzen soll - das kann ja ihre Antwort
nicht sein.
    Wenn der Glaube an eine vom Staat unabhängige Instanz der
Rechtsetzung den Staat gefährdet, dann muss die Islamkritik eigentlich eine
Theorie der abgestuften Religionsfreiheit vertreten, wie sie die katholische
Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil hinter sich gelassen hat: Freiheit zur
Wahrheit, nicht zum Irrtum. Da einer Differenzierung der bürgerlichen Rechte
nach Graden der Aufgeklärtheit aber unüberwindliche grundrechtliche Hindernisse
entgegenstehen, ersetzt informelle Diskriminierung die förmliche. Es ist in
Deutschland schon so weit, dass man beim Anblick jeder Studentin, die ein
Kopftuch trägt, unwillkürlich denkt: Auf den Dienst für den Staat, der sie ausbildet,
legt sie offensichtlich keinen Wert.
    Im November 1879 erörterte Heinrich von Treitschke, der
berühmte Geschichtsprofessor der Berliner Universität, in einem Aufsatz in den
nationalliberalen «Preußischen Jahrbüchern» unter den Aussichten der Zeit auch
die «leidenschaftliche Bewegung gegen das Judentum», die durch die
Einwanderung von Juden, die an ihrem Religionsgesetz festzuhalten gewillt
schienen, die Integration des nationalen Staates im Zeichen des bürgerlichen
Rechts gefährdet glaubte. Der Historiker, der in seiner «Deutschen Geschichte
im neunzehnten Jahrhundert» die öffentliche Meinung als umwälzende Kraft
geschildert hatte, berichtete aus der guten Gesellschaft: «Bis in die Kreise
der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher
Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuts von sich weisen würden, ertönt es heute
wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!» Micha Brumlik hat Thilo
Sarrazin einen Treitschke des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts genannt,
weil der Historiker den modernen, nicht mehr theologisch, sondern mit
Rassenlehre und Sprachwissenschaft begründeten Antisemitismus mit der
demographischen Angst zusammengeführt habe. Die «Reaktionsmuster» im bürgerlichen
Publikum damals und heute seien dieselben. Treitschke vermied die Berührung
mit dem Unflat des gemeinen Judenhasses und vermerkte doch mit Genugtuung, dass
die Kloake der rassistischen Hetzerei das Tabu hinweggeschwemmt hatte: Die
«natürliche Reaktion des germanischen Volksgefühls gegen ein fremdes Element,
das zu unserem Leben einen allzu breiten Raum eingenommen hat», habe «zum
mindesten das unfreiwillige Verdienst, den Bann einer stillen Unwahrheit von
uns genommen zu haben; es ist schon ein Gewinn, daß ein Übel, das Jeder fühlte
und Niemand berühren wollte, jetzt offen besprochen wird».
    Von «unseren israelitischen Mitbürgern» forderte
Treitschke: «Sie sollen Deutsche werden, sich schlicht und recht als Deutsche
fühlen - unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten heiligen Erinnerungen, die
uns allen ehrwürdig sind; denn wir wollen nicht, dass auf die Jahrtausende
germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-jüdischer Mischkultur folge.» Golo
Mann hat 1961 angemerkt, dass der Antisemitismus, als er auf der Bühne der
Geschichte erscheint, zunächst nicht das ist, was wir uns nach Auschwitz unter
ihm vorstellen. «Er verlangt nicht Ausschließung, sondern völlige Angleichung
und Bescheidenheit in der Angleichung; er verlangt Ausschließung nur derer,
die sich nicht angleichen wollen.»
    Was ist los in Deutschland? Der Frankfurter Architekt
Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, hat daran erinnert, dass
die deutsche Geschichte schon seit 1806 eine Geschichte der Niederlagen war.
Die Sehnsucht nach einem starken Nationalbewusstsein kompensiert ein
verleugnetes Gefühl der Schwäche. «Wer keine gefestigte Persönlichkeit
besitzt, sucht Menschen, auf die er hinabschauen kann. Früher waren das vor
allem die Juden. Heute greifen in der Causa Sarrazin ähnliche Mechanismen: Hier
wir Deutsche, dort die Muslime.»
    Ein Jahr nach Treitschkes Aufsatz zog sein nicht minder
berühmter Fakultätskollege Theodor Mommsen ein Resümee der von Treitschke
ausgelösten Debatte. «Ohne Zweifel hat Herr von Treitschke diese Woge und
diesen Schaum nicht gewollt, und es fällt mir nicht ein, ihn für die einzelnen
Folgen seines Auftretens verantwortlich zu machen.

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