Balkan Blues
eingeflogen.«
Die Lieder und Parolen rundum gehen in Jubel über und in den Aufschrei »Da, da, die Europameister!«, als die Fußballer endlich das Stadion betreten. Einige begeisterte Fans stürmen von den Rängen und wollen ihnen um den Hals fallen, worauf unsere Leute einschreiten und versuchen, die Leute zurückzuhalten.
An ein paar Fußballergesichter kann ich mich erinnern, doch die meisten Namen sind mir nicht hängengeblieben. An Zagorakis und den »verrückten Deutschen«, wie Otto Rehhagel von den Anhängern genannt wird, kann ich mich mit Gesicht und Namen erinnern, von dem »Stahlschädel«, wie Adriani ihn nennt, dem Spieler, der im Endspiel das Tor geschossen hat, ist mir der Name entfallen.
Der Erzbischof schreitet von den Rängen herab, und ich bereite mich darauf vor, die erzpriesterliche Version unseres fußballerischen Erfolges zu hören, als sich mein Funkgerät meldet.
»Kommen Sie sofort zur Einsatzzentrale!« höre ich Gikas’ Stimme. »Ich schicke einen Ersatzmann.«
»Was ist passiert?«
»Kommen Sie her, Sie werden schon sehen.«
Sein Tonfall läßt mich bereits erahnen, was mich erwartet. Ich setze mich mit Margaritis, dem Leiter der Einsatzzentrale, der auch mein Freund ist, in Verbindung, in der Hoffnung, etwas mehr zu erfahren.
»Komm hier vorbei. Darüber kann man am Telefon nicht sprechen«, meint er, und meine Unruhe wächst.
Vor dem Kallimarmaro-Stadion herrscht ein undurchdringliches Menschengewühl. Die fanatischen Anhänger, die den Bus eskortiert haben, wollen auch ins Stadion, und unsere Leute versuchen sie zurückzudrängen, da das Stadion bereits aus allen Nähten platzt und drin der Teufel los ist. Ich brauche etwa eine halbe Stunde, um einen verfügbaren Streifenwagen aufzutreiben, mit dem ich in die Einsatzzentrale fahren kann. Margaritis nimmt mich in Empfang.
»Jetzt wirst du verstehen, warum ich es dir nicht sagen konnte«, meint er und führt mich zu einer langen Reihe von Fernsehbildschirmen.
Davor sitzen Techniker in Zivil, unter ihnen auch Gikas. Sein Blick klebt an den Bildschirmen.
»Sieh dir die Nummer drei an«, sagt Margaritis.
Dort erkenne ich einen Mann, der die Hand mit der Moutsa der Kameralinse entgegenstreckt. Er ist, wie auch seine Vorgänger, nackt und hat die rechte Hand erhoben. Doch zwei Unterschiede gibt es. Erstens ist er schwarz, und zweitens wurde nichts auf seinen Körper geschrieben, sondern er trägt ein Schild um den Hals.
»Die Aufnahme hat uns vor kurzem der Zeppelin geschickt«, höre ich wieder Margaritis sagen. »Er war auf einem Probeflug und hat jemanden auf einer Bank sitzend entdeckt, der die Hand zur Moutsa erhoben hatte.«
»Zeigen Sie die ganze Serie«, meint Gikas.
Auf dem Bildschirm folgt eine Aufnahme der anderen, und alle zeigen den Toten aus verschiedenen Blickwinkeln. Doch die interessieren mich gar nicht. Mich interessiert nur das Schild.
»Kannst du das vergrößern, damit ich die Aufschrift lesen kann?« frage ich Margaritis.
Der Techniker vor mir tippt etwas in seine Computertastatur. Die Aufnahme wird immer größer, bis ich das Schild deutlich lesen kann: HISBOLLAH . Bravo, die ganze Bandbreite, damit keine Organisation sich beschweren kann! sage ich mir.
»Wo hat man ihn gefunden?« frage ich unbestimmt in die Runde.
Der Techniker drückt wieder seine Tasten. Unten links lese ich: »Ermou-Straße, 20:20 Uhr«.
»Und dann sag noch mal einer, daß der Zeppelin sein Geld nicht wert war!« bemerkt Gikas. »Der findet die berühmte Stecknadel im Heuhaufen.«
Eine Moutsa im Heuhaufen.
»Auf welcher Höhe der Ermou-Straße?« frage ich den Techniker.
»In dem Abschnitt, der kürzlich für die Olympiade zur Fußgängerzone umgewandelt wurde. Nach dem Ajion-Assomaton-Platz.«
»Ich habe bereits veranlaßt, daß der Bereich abgeriegelt wird«, sagt Gikas. »Machen Sie sich auf den Weg, und ich benachrichtige Parker.«
»Muß das sein?«
Er blickt mich mit saurer Miene an.
»Ich kann keine Unannehmlichkeiten gebrauchen, nur weil Sie von Natur aus dickköpfig sind«, meint er.
»Geben Sie mir wenigstens eine Stunde Vorsprung.«
Ich erhalte keine Antwort auf meine Bitte, aber ich weiß, daß er sie mir gewähren wird. Zunächst einmal informiere ich Gerichtsmediziner Stavropoulos und die Spurensicherung. Danach setze ich mich über Funk mit meinen beiden Assistenten in Verbindung und weise sie an, am Ajion-Assomaton-Platz auf mich zu warten.
Wir fahren über den Alexandras-Boulevard, um dem Verkehr
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