Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)
war.
*
Karl Pützkes schloss die Tür der kleinen Wohnung, die in einem muffigen Altbau der Kölner Innenstadt lag, auf. Es gab wohl größere und bessere Wohnungen. Aber die hatten für Pützkes meist einen Haken. Entweder waren sie zu groß oder zu teuer, oder aber sie lagen zu weit vom Zentrum entfernt. Und nicht zuletzt war es sein Geiz, der ihn davon abhielt, sich eine andere Wohnung zu nehmen.
Außerdem fragte er sich, für wen das gut sein sollte, denn er selbst hielt sich kaum zu Hause auf, weil er sich dort nicht wohlfühlte. Aber heute hatte er Emma kennengelernt ...
Tatsächlich hatte er vor zwei Jahren siebzigtausend Euro von der Versicherung ausbezahlt bekommen. Aber davon waren ihm nur noch knapp zwanzigtausend geblieben. Den Rest hatte er verbraucht, weil er entgegen seinem Geiz, eine Zeitlang den großen Mann gespielt hatte.
Mit der Trinkerei hatte es angefangen, und natürlich waren immer nur andere schuld an seinem Elend gewesen. Täglich war es mit Karl Pützkes weiter bergab gegangen, immer ein Stückchen mehr. Irgendwann hatte er sich dann doch aufgerafft und sich eine Arbeit gesucht. Viel hatte ihm das Arbeitsamt nicht bieten können. Er verkaufte nun Tickets in einem Parkhaus.
Und heute hatte er Emma kennengelernt. Sie war eine resolute und praktische Frau, wie ihm schien. Vielleicht würde er zusammen mit Emma wieder auf die Beine kommen? Dies war seine stille Hoffnung, die er hegte und pflegte wie ein seltenes Pflänzchen.
Auch zwanzigtausend Euro waren wohl immer noch eine Menge Geld, und es würde sich damit bestimmt etwas anfangen lassen. Ja, und Emma hatte ja auch noch fünftausend ...
Er rechnete und überlegte. Ja, ja, eine Wirtschaft, das wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Essen und trinken mussten die Leute ja ...
Karl nahm sich noch eine Flasche Rotwein und setzte sich ins unaufgeräumte Wohnzimmer, um dort seine Träume weiterzuspinnen. In denen sah er sich schon als Hotelbesitzer.
»Vielleicht später ein Häuschen im sonnigen Spanien«, sagte er sich selbst und rieb sich die Hände. »Vielleicht 'ne Pension im Sauerland? Es könnte auch der Bayerische Wald sein. Ist ja auch schön dort!«
So redete er mit sich selbst, bis er allmählich wirklich ins Reich der Träume hinüberglitt. Ein paarmal drückte seine Hand das Sofakissen und er flüsterte selig: »Emma, o Emma ...!«
Emma hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Schuhe weggeschleudert und ihre nicht weniger unaufgeräumte Wohnung betreten. Sie sah sich um.
»Wird Zeit, dass du hier rauskommst, altes Mädchen«, murmelte sie und ließ sich in einen der abgewetzten Sessel sinken. »Das war ein Glückstag heute, Mann-oh-Mann!«
Sie dachte über ihr Leben nach.
Mit achtzehn hatte sie angefangen, in einem Bordell zu arbeiten. Sie war früher sehr hübsch gewesen und hatte wirklich gut verdient. Aber mit ihren Zuhältern hatte sie Pech gehabt. Und so war der schnelle Verdienst noch schneller zwischen den Fingern zerronnen. Nichts war ihr aus dieser Glanzzeit geblieben, außer einem schalen Geschmack, wenn sie sich daran erinnerte.
Später war sie auf den Autostrich gegangen. Dort hatte sie nicht mehr so gut verdient. Und dann war eine schwere Unterleibsoperation dazu gekommen, die sie dazu bewog, ihren Beruf aufzugeben.
Die anschließende Arbeitssuche hatte sich als sehr schwierig erwiesen, denn am Anfang hatte es ganz so ausgesehen, als sei ihr die Vergangenheit ins Gesicht geschrieben.
Klo- und Putzfrau war sie dann geworden, weil es nichts anderes für sie gab. Nächtelang hatte sie seinerzeit über ihr verspieltes Leben nachgedacht und erbärmlich geheult. Aber davon war nichts anders geworden ...
Und heute hatte sie Karl Pützkes kennengelernt! Sie hielt ihn für einen total naiven Menschen. Am Anfang hatte sie ihn sogar als vertrottelt empfunden. Aber er hatte Geld und das zählte für Emma. Sie hatte sofort beschlossen, sich Karl warmzuhalten. Ja, nötigenfalls würde sie ihn sogar heiraten. Von ihrer Vergangenheit musste er ja nicht unbedingt etwas erfahren.
Karl war für sie wie ein Rettungsring, den man ihr zugeworfen hatte. Und sie musste natürlich zugreifen. Würde es nichts werden, so hätte sie auch nicht viel verloren. Es war eine einmalige Chance.
Ein schönes, kleines Gasthaus wollte sie haben, wollte in der Küche stehen und für ihre Gäste kochen. Nein, nicht für die vom Milieu, für richtig gutbürgerliche Leute, die etwas Geld springen ließen!
Und sparen wollte sie wie eine
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