Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)
Ehefrau. Außerdem bin ich schon mit ganz anderem fertig geworden. Also, gehen wir zu dir!“
Er wand sich wie ein Aal. Aber er half nichts. Er musste sie mitnehmen.
»Heiliger Strohsack!« schrie Emma und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie Karls Wohnung betraten. »Das sieht ja aus wie bei Hem-pels unterm Sofa.«
»Mit dem Aufräumen ist das so eine Sache«, murmelte er.
»Ein liederlicher Faulsack bist du!« schimpfte sie mit ihm. »Und wo ist der Barockschrank, von dem du so viel erzählt hast?«
»Verkauft«, sagte er und senkte den Blick.
Sie ging durch die kleine Wohnung, tippte hier und dort ein Stück an. »Alles Schrott!« sagte sie verächtlich. »Da kann man nur einen städtischen Müllcontainer kommen lassen, Fenster auf und alles raus mit der Schippe! Also nein, wenn ich das gewusst hätte!«
Sie hatte sich bessere Möbel erhofft, denn sie würde selbst einen Müllcontainer für ihre Sachen brauchen. Aber nun war es eben nicht zu ändern. Sie besaß die gute Eigenschaft der Anpassung an fast jede Situation und beruhigte sich daher ziemlich rasch.
»Die Couchgarnitur sieht noch gut aus«, stellte sie fest. »Der Tisch auch. Aber den Teppich können wir auf die Müllkippe befördern. Naja, so ist es halt!«
Er hockte im Sessel wie ein Häufchen Unglück, denn heute hatte er schon allerhand über sich ergehen lassen müssen. Und doch war er froh, dass alles so glimpflich abgegangen war. Nicht auszudenken, wenn Emma doch zum Gericht gerannt wäre und ihn letztlich wieder alleingelassen hätte ...
Am nächsten Tag redete Emma mit Hanselmann. Um Ausreden war sie nie verlegen. Zu weit abgelegen sei die Pension, und sie habe sich etwas in Stadtnähe vorgestellt. Vielleicht auch etwas Preisgünstigeres für den Anfang. Ach nein, so elegant musste es nicht unbedingt sein. Und man würde nötigenfalls auch etwas renovieren.
Hanselmann hatte etwas und bestellte das Ehepaar Pützkes zu sich.
»Nimm endlich mal die doofe Nelke raus, du bist keine neunzehn mehr!« sagte Emma zu ihrem Mann, und er gehorchte. Diese Nelke war so etwas wie ein Euroenzeichen für ihn gewesen. Nun musste er diesem Emblem ja wohl Adieu sagen.
»Das Anwesen liegt in der Vorstadt«, erzählte Hanselmann unterwegs. »Sie dürfen sich vom Äußeren nicht abschrecken lassen, dafür ist es sehr preisgünstig. Nur viertausend Ablösung und achthundert Monatspacht. Natürlich brauereigebunden, versteht sich!«
»Wir lassen uns überraschen, nicht wahr, Karl?«
»Ja, Emma!« sagte Karl.
Die Gegend neben der Autobahn wurde immer öder. Fabrikhallen standen zwischen Schrebergärten und Wohnbaracken. Schornsteinwälder und kaum etwas Grünes dazwischen. Dann verließ Hanselmann die Autobahn und fuhr sie zu einem einzeln stehenden Backsteinhaus, das einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck machte.
»Rasthaus zur Autobahn« stand auf dem abgeblätterten Schild über der Türe. Der kleine Vorgarten - ehedem wohl bewirtschaftet - war verwildert und ungepflegt. Ausländerkinder rannten lärmend durch die Gegend.
»Das ist ja eine richtig üble Ecke!« sagte Emma entsetzt.
»Warten Sie doch erst mal ab, bis wir drinnen sind!« sagte der Makler.
Etliche Lampenschirme waren zerbrochen, der Fußboden aufgeworfen.
»Also nee, Herr Hanselmann!« sagte Emma entsetzt. »Das ist ja 'ne richtige Bruchbude!«
»So würde ich es nicht sehen«, sagte Hanselmann. »Sie haben mir doch selbst gesagt, dass Sie ein bisschen renovieren würden. Wenn Sie neu tapezieren, einen neuen Fußboden legen lassen und den Garten in Ordnung bringen, haben sie doch ein schönes, gutbürgerliches Gasthaus!«
»In dieser Gegend!« maulte Emma. »Da kommt doch keiner!«
»Sagen Sie das nicht!« meinte der Makler. »Bedenken Sie, dass gleich dort drüben die Autobahn liegt. Viele Leute, besonders die Fernfahrer, gehen von der Autobahn runter, weil sich das preislich lohnt. Außerdem stellt die Brauerei neue Kühlmöbel zur Verfügung. Und die Küche wird ebenfalls von der Brauerei renoviert. Diese Hauptausgaben gehen schon mal nicht zu Ihren Lasten, Frau Pützkes!«
Sie überlegte und ging durch die Räume. Im ersten Stock waren vier Zimmer und das Bad sowie eine Toilette. Im zweiten Stock befand sich eine abgeschlossene Wohnung.
»Was meinst du denn, Karl?« fragte Emma.
»Ich weiß nicht, Emma«, meinte er zaudernd und sah sich fast ängstlich um. »Es sieht nicht gut aus!«
»Aber man könnte was draus machen!« sagte Emma, kreuzte die Arme über
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