Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)
der Brust und nickte ein paarmal nachdenklich. Dann drehte die sich um. »Wir nehmen die Bude, Herr Hanselmann!« sagte sie.
»Gut, dann fahren wir in mein Büro und machen den Vertrag!«
*
»Jetzt haben wir ein Gasthaus!« sagte Emma glücklich und gab Karl einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Wir werden uns zuerst einmal draußen einrichten und mit dem Renovieren anfangen. Ich habe eine Freundin, die mir eine Nähmaschine borgen kann. Ich kaufe Vorhangstoff. Tapezieren können wir auch selber. Das kannst du doch, Karl?«
»Ich werde es probieren!« versicherte er. Aber im Grunde hatte er sich die Sache mit dem Gasthaus ganz anders vorgestellt. Aber Emma würde das schon machen.
Und sie machte es! Sie plante, rechnete, kaufte ein und arbeitete wie ein Pferd. Und sie trieb Karl ordentlich an.
»Stell dich nicht so an, als ob du ein paar linke Hände hättest!« schimpfte sie öfters. Überhaupt ging sie nicht gerade zärtlich mit ihm um. Aber das war eben ihre Art, und er musste sich daran gewöhnen.
Sie kamen gut voran. In der zweiten Woche brachte Emma aus der Stadt eine rothaarige, kräftige Frau mit. Karl sah sie zusammen mit Emma schon von Weitem kommen. Die Frau hatte ein grobes Gesicht, trug künstliche Wimpern und war noch stärker geschminkt als Emma.
»Das ist Tilly Tellmann«, stellte Emma vor. »Eine ehemalige Arbeitskollegin von mir. Tilly wird uns bei der Renovierung helfen. Und das ist mein Mann Karl!«
»Angenehm!« sagte Karl und gab der fremden Frau die Hand. Sie überragte ihn um Haupteslänge. Und ihm kam es so vor, als würde sie ihn ein wenig spöttisch, wenn nicht gar verächtlich, mustern.
»Duzt euch am besten!« schlug Emma vor. »Das erleichtert unser Zusammenleben!«
Sie ging in die Küche, und Karl lief ihr erschrocken nach.
»Was soll denn das heißen?« fragte er Emma.
»Mensch, Karl, sei doch nicht so schwer von Begriff. Ich habe Tilly ein Zimmer im ersten Stock vermietet!« erklärte sie ihm.
»Aber die sieht ja aus wie eine ...«
»Wie sieht sie aus?« erkundigte sich Emma kriegerisch und sah ihn ganz streng an. »Sie ist meine Freundin, verstanden!«
»Ja, Emma, mach du es nur, wie du willst!« gab er klein bei und schlich wieder in die Gaststube. Dort hatte sich Tilly bereits mit einer Flasche Bier aus dem Kasten bedient.
»Haste ein Glas, Karl?« fragte sie ihn kumpelhaft.
»Aber sicher, gewiss doch!« rief er, flitzte in die Küche und holte ihr ein Glas. Er stellte es auf den Tisch zwischen die Tapetenrollen und betrachtete die Frau.
»Ist was mit mir nicht in Ordnung?« fragte sie ihn mit ihrer tiefen Stimme.
»Nein, nein, es ist alles klar«, sagte er stotternd.
»Gut, dann guck mich nicht an, als ob ich Hörner hätte!« sagte sie unverblümt zu ihm. Und Karl verkroch sich hinter die Theke und löste dort die verdorbenen Kunststoffplatten vom Boden ab.
Später waren die Frauen in der Küche. Karl hörte sie lachen und plaudern.
»Da hast du dir vielleicht 'ne Witzfigur angelacht!« hörte er die rote Tilly sagen. »Wo hast du denn dieses Exemplar aufgegabelt?«
»Im Ballhaus«, sagte Emma. »Aber er ist ein guter Kerl. Er macht alles, was ich will!«
Das schmeichelte Karl, obwohl er jetzt total unsicher war. Er fragte sich nur, was Emma und Tilly verband? Woher kannten sie sich? Er hatte von Tilly keinen guten Eindruck. Aber er schob diese Gedanken mit aller Gewalt von sich und konzentrierte sich auf seine Arbeit.
Der Vorgarten wurde vom Unkraut befreit, ein paar Rabatten angelegt und hübsch bepflanzt. Man polierte das Wirtshausschild auf, übermalte abgeblätterte Stellen und strich die Fenster.
Dann kamen die neuen Kühlmöbel und die Kücheneinrichtung von der Brauerei, sie wurden installiert und überprüft.
»In einer Woche können wir eröffnen«, sagte Emma eines Abends glücklich zu Karl. »Ich habe auch schon Anzeigen aufgegeben. Werbung ist alles, sage ich dir.«
Sie hatte auch schon ihre Speisekarte entworfen. Es fanden sich fast alle Gerichte gutbürgerlicher Küche darauf.
»Sollten wir nicht erst mal klein anfangen?« meinte Karl zaghaft. »Ich meine, so mit Würstchen und Kartoffelsalat, und mit Erbsensuppe ...«
»Hör mal!« unterbrach sie ihn beleidigt. »Ich bin doch keine .Würstchenbude! Nein, man muss es gleich richtig aufziehen, verstehst du?«
»Du wirst es schon richtig machen, Emma!« sagte er.
Eine Woche später hatten sie es tatsächlich geschafft. Der Gastraum wirkte jetzt richtig behaglich und
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