Ball der Traeume
Chance, auf die sie gewartet hatte.
Sie raffte ihr Kleid und eilte zur Tür. Mit einer einzigen Bewegung riss sie sie auf und stürmte hinaus. Mit halbem Ohr vernahm sie noch, wie Damien ihr etwas zurief, aber da rannte sie bereits den Korridor entlang.
Sie rannte über das Parkett durch den Salon, flüchtete die Treppen hinunter und lief in Richtung Ausgang. Das Blut pulsierte in ihren Adern, sie konnte nur noch an Flucht denken. Erst kurz vor der großen schmiedeeisernen Tür verlangsamte sie ihre Schritte und sah sich gehetzt um. Der Lärm der Feier drang an ihr Ohr, aber niemand sah sie, niemand verfolgte sie.
Eve wusste, sie hatte es geschafft. Ihre Panik verschwand und machte einer jubelnden Euphorie Platz.
Ihr Geheimnis blieb gewahrt, sie war in Sicherheit.
4. Kapitel
Sie war ein nervöses Wrack.
Montagmorgen saß Eve an ihrem Schreibtisch und versuchte, ihre Arbeit zu organisieren. Der Beginn des Tages war nicht einfach gewesen. Alle hatten über den Kostümball geredet und Anekdoten ausgetauscht. Es schien kein anderes Gesprächsthema zu geben.
Eve hatte vage angedeutet, dass sie den Abend wie gewohnt mit ihrer kranken Mutter zu Hause verbracht habe. Dabei hatte sie mit angehaltenem Atem darauf gewartet, dass jemand sagte, er habe sie erkannt. Aber die große Enthüllung war ausgeblieben. Ihre Kollegen bedauerten sie, weil sie die Party des Jahres verpasst hatte, und beachteten sie nicht weiter. Sam hatte sie nur kurz begrüßt und war dann zu einem Treffen mit Damien entschwunden.
Welch ein Glück, dass Sam sich von seiner Grippe erholt hatte. Ein Zusammentreffen mit Damien hätte ihr nämlich gerade noch gefehlt. Wie sollte sie es bloß anstellen, ihm noch einmal unter die Augen zu treten?
Aber jetzt hielt Sam die Zügel wieder in der Hand, und sie konnte in den Hintergrund zurücktreten, was ihr nur lieb war.
Sie war gerade dabei, eine lange E-Mail zu verfassen, als plötzlich das Telefon klingelte. Sie nahm den Hörer auf.
"Ja?" fragte sie, in Gedanken noch bei ihrer Aufgabe.
"Miss Summers?" Damiens Stimme traf sie völlig unvorbereitet. Was wollte er nur von ihr?
Wusste er Bescheid? Hatte Sam sie etwa doch erkannt und Damien ihre Identität enthüllt?
"Miss Summers, sind Sie es?" Er klang jetzt sehr ungeduldig.
"Ich – ja, entschuldigen Sie bitte", sagte sie stockend. "Ich war kurz abgelenkt."
"Kein Problem. Ich brauche Sie in meinem Büro. Und zwar sofort!"
Eve wurde blass und bekam weiche Knie. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wie sollte sie ihm alles erklären? Wie konnte sie ihm nach dem, was sie miteinander erlebt hatten, noch in die Augen schauen?
Bestimmt würde er sie feuern. Und sie konnte es ihm nicht einmal verdenken. Sie hatte ihre Grenzen auf unverzeihliche Art und Weise überschritten.
"Sind Sie noch da?"
Eve schluckte. "Ich komme sofort", sagte sie bedrückt.
Damien legte stirnrunzelnd den Hörer auf. Was war nur mit Eve los? Hoffentlich machte er jetzt keinen großen Fehler.
Er wandte sich wieder Sam zu, der ihn erwartungsvoll und gleichzeitig verunsichert ansah.
Damien kannte dieses Gefühl. Er kannte es seit Samstagnacht, als die Frau, die sich als Kleopatra verkleidet hatte, ihn ohne weiteres verlassen hatte, noch dazu in einer sehr kompromittierenden Situation. Niemand hatte ihn je so stehen lassen. Es war keine sehr angenehme Erfahrung gewesen. Aber das Ärgerlichste war – sie war geflohen, bevor er ihre Identität hatte herausfinden können. Jetzt wusste er nicht einmal, mit wem er diesen fantastischen Sex gehabt hatte.
Natürlich hatte er sich gleich danach angezogen und versucht, sie zu finden. Aber sie war wie vom Erdboden verschluckt gewesen.
Warum? Was hatte das zu bedeuten? Warum war sie in Panik geraten? Warum hatte sie nicht gewollt, dass er ihr Gesicht sah?
Kannten sie sich vielleicht? Oder kannte sie ihn? Hatte sie deswegen Angst bekommen? Angst vor dem großen Boss? Aber diesen Eindruck hatte er nicht gehabt. Sie musste gewusst haben, wer er war – spätestens, als Enid ihn gerufen hatte. Warum hätte sie deswegen später in Panik geraten sollen?
Die ganze Sache gefiel ihm nicht. Die schöne Fremde wusste, wer er war, aber er kannte sie nicht. Stirnrunzelnd betrachtete er den Mann, der vor ihm saß und so unsicher wirkte.
Vielleicht kann Sam mir ja helfen.
Als die Gäste nach Mitternacht die Masken abgenommen hatten, hatte er gesehen, dass Sam als Nonne verkleidet gewesen war. Und diese Nonne hatte ganz in der Nähe gestanden,
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