Ball der Vampire
von all den Brautpaaren, Bar-Mizwas, Erstkommunionen und Silberhochzeiten darin sah. Dann klappte ich die Mappe wieder zu, legte sie zurück und versuchte ganz locker zu wirken, aber ich glaube, das hat nicht funktioniert.
Mit einem Lächeln, das ein müder Abklatsch von Maria-Stars betont freundlicher Miene war, sagte ich: »Alcide und ich sind nie richtig zusammen gewesen, weißt du.« Sicher, ich hatte Sehnsüchte und Hoffnungen gehabt, aber die waren nicht weit gediehen. Das Timing hatte nie gestimmt.
Maria-Stars Augen, die von einem viel helleren Braun waren als Claudes, weiteten sich vor Ehrfurcht. Oder war es Furcht? »Ich habe schon gehört, dass du das kannst«, sagte sie. »Aber es ist schwer zu glauben.«
»Ja«, erwiderte ich leicht genervt. »Nun, ich freue mich, dass du mit Alcide ausgehst, und ich habe kein Recht, was dagegen zu haben, selbst wenn es mich interessieren würde. Und das tut es nicht.« Das sprudelte etwas zu hastig aus mir heraus (und entsprach auch nicht ganz der Wahrheit), aber ich glaube, Maria-Star hat es schon richtig verstanden: Ich wollte mein Gesicht wahren.
Als ich in den Wochen nach dem Tod seines Vaters nichts von Alcide hörte, wusste ich, dass seine Gefühle für mich, wie immer sie auch ausgesehen hatten, erloschen waren. Das war ein Schlag gewesen, aber kein tödlicher. Ganz ehrlich, ich hatte nichts von Alcide erwartet. Aber verflixt noch mal, ich mochte ihn, und es tut immer weh, wenn man feststellt, dass man einfach ausgewechselt wird. Immerhin hatte Alcide vor dem Tod seines Vaters noch vorgeschlagen, dass wir zusammenziehen sollten. Und jetzt war er mit dieser jungen hübschen Werwölfin hier zusammen, vielleicht planten sie sogar bereits, kleine Werwölfchen zu bekommen.
Ich verbot mir diese Art Gedanken sofort. Schäm dich! Es ist total sinnlos, hier die Ziege zu spielen. Was auch, wenn ich drüber nachdachte, Maria-Star auf falsche Gedanken bringen konnte.
Schäm dich gleich doppelt !
»Ich hoffe, ihr seid sehr glücklich«, sagte ich.
Wortlos reichte sie mir eine andere Fotomappe, auf der Augenblicke stand. Als ich sie aufschlug, bemerkte ich, dass die Augenblicke nur Supras festhielten. Es waren Fotos von Zeremonien, die Menschen nie zu sehen bekamen... ein Vampirpaar, das in aufwendigen Kostümen vor einem riesigen Ankh-Kreuz posierte; ein junger Mann, der sich eben in einen Bären verwandelte, wahrscheinlich zum ersten Mal; die Aufnahme eines Werwolfrudels, dessen Mitglieder alle Wolfsgestalt angenommen hatten. Alfred Cumberland, der Fotograf des Übernatürlichen. Kein Wunder, dass er die erste Wahl für die Fotos gewesen war, mit denen Claude eine Karriere als Model für die Cover von Liebesromanen anzuschieben hoffte.
»Weiter geht's«, rief Al, als er aus dem Büro eilte und sein Handy zuklappte. »Maria-Star, wir sind gerade für eine Doppelhochzeit gebucht worden, irgendwo da draußen in der Gegend, wo Miss Stackhouse wohnt.« Ich überlegte, ob er bei diesem Auftrag wohl normale Menschen oder übernatürliche Wesen fotografieren würde, aber es wäre unhöflich gewesen zu fragen.
Claude und ich kamen uns noch einmal ganz nahe. Ich folgte Alfreds Anweisungen und raffte den Rock hoch, damit meine Beine zu sehen waren. In der Epoche, in der mein Kleid getragen wurde, hatten die Frauen ihre Beine sicher noch nicht gebräunt oder rasiert, und meine Haut war braun und glatt wie ein Kinderpopo. Aber hey, was soll's. Die Männer waren wahrscheinlich genauso wenig mit aufgeknöpftem Hemd durch die Gegend gelaufen.
»Heben Sie das Bein so hoch, als ob Sie's gleich um ihn schlingen wollten«, kommandierte Al. »Also, Claude, das ist jetzt deine Chance zu glänzen. Du musst aussehen, als würdest du dir jede Sekunde die Hose herunterreißen. Wir wollen doch, dass die Leserinnen anfangen, schwer zu atmen, wenn sie dich ansehen!«
Claude wollte diese Fotos zu einer Mappe zusammenstellen und sie beim Wettbewerb zum »Romantischen Liebhaber« einreichen, der jedes Jahr von der Zeitschrift des Buchclubs »Romantische Zeiten« veranstaltet wurde.
Als er Al von seinen Plänen erzählte (soweit ich weiß, hatten sie sich auf einer Party kennen gelernt), riet der Fotograf ihm, sich mit dem Typ Frau aufnehmen zu lassen, der häufig auf den Umschlägen von Liebesromanen abgebildet ist. Er hatte dem Elf erklärt, dass sein dunkler Typ am besten zusammen mit einer blauäugigen Blondine zur Geltung kommen würde. Und ich war zufällig die einzige vollbusige blonde
Weitere Kostenlose Bücher