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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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Aufschrei geben, wenn ihm etwas zustieße. Dass Freddie derjenige sein könnte, der die Angelegenheit mit dem Leben bezahlte, wagte sie erst gar nicht zu denken. Und außerdem waren Duelle seit einiger Zeit streng verboten. Sie musste also unbedingt irgendetwas tun. Aber was? Der Bruder hatte ihr strikt untersagt, den Vater davon zu unterrichten, und überdies würde sie auch nie etwas tun, was dem geliebten Papa Kummer bereiten würde. Freilich, sie könnte mit Susan und Margaret, den älteren Schwestern, darüber reden, aber die würden ja doch nur spornstreichs zur Mutter laufen. Irgendwie mussten die beiden jungen Männer indes zur Vernunft gebracht werden, wenn man ihnen nur das Törichte ihrer Handlungen richtig vor Augen führte. Und es schien nach reiflichem Nachdenken niemand anderes dafür infrage zu kommen als sie selbst.
    Als Lydia bei ihren Überlegungen an dieser Stelle angelangt war, stand sie leise wieder auf, zog das Baumwollkleidchen über, das sie am Tag zuvor getragen hatte, schlang ein Band um das dichte braune Haar und setzte sich auf das niedrige Fensterbrett, um zu beobachten, was Freddie tun würde. Sie betete zwar inbrünstig um einen guten Ausgang dieser schrecklichen Sache, fürchtete aber dennoch das Schlimmste.
    Ein Geräusch auf dem Weg ließ sie zusammenschrecken. Vorsichtig spähte sie hinunter und erblickte Robert Dent, einen anderen Freund des Bruders, der auf seinem Braunen unter Freddies Fenster angehalten hatte und nun eine Handvoll Kieselsteine gegen die Scheiben warf. Sofort erschien der Kopf des Bruders im Fensterspalt, und ein unwilliges Zischen ertönte. “Ich bin sofort unten. Reite zum Stall hinüber”, flüsterte Freddie.
    Einen Augenblick später wurde eine Tür leise geöffnet und lautlos wieder geschlossen. Lydia schlich zur Zimmertür, legte die Hand auf die Klinke, und als ein gedämpftes Klappen des Haustores ertönte, riss sie einen Umhang vom Haken und eilte die Treppe hinunter. Sie musste sich beeilen, denn sie hatte doch keine Ahnung, wo das Duell stattfinden sollte, und durfte deshalb Freddie und seinen Begleiter nicht aus dem Blick verlieren. Hoffentlich ritten sie nicht zu schnell, damit sie mit ihrem Pony Schritt halten konnte.
    In ihrer Aufregung stolperte sie jedoch über den handfesten Spazierstock, den der Vater im Flur an die Wand gelehnt hatte und der nun klappernd zu Boden fiel. Hastig stellte sie ihn wieder an seinen Platz und wollte gerade zur Tür hinaus, als hinter ihr eine wohlbekannte Stimme ertönte.
    “Lydia! Wo um alles in der Welt willst du hin?”
    Entsetzt wandte sich das Mädchen um und erblickte den Vater, der in Hausmantel und Pantoffeln die Treppe herunterkam. “Ich … ich dachte”, stotterte sie. “Ich … ich glaube, der Fuchs ist im Hühnerstall.”
    “Davon habe ich nichts gehört”, erwiderte der Vater ärgerlich. “Und weshalb bist du dann völlig angekleidet?” Er packte Lydias Arm und zog sie daran näher zu sich. “Du wirst mir jetzt auf der Stelle sagen, was das alles zu bedeuten hat.”
    “Aber das kann ich nicht”, jammerte sie. “Es ist ein Geheimnis.”
    “Aha, dann muss es sich also um Freddie handeln. Nur Frederick kann so verantwortungslos sein, dich in eine seiner Schwierigkeiten hineinzuziehen.”
    “Er hat mich nicht hineingezogen …”
    “Wo ist er?”
    Lydia ließ den Kopf hängen und schwieg.
    “Er hat das Haus verlassen, nicht wahr? Es war mir doch, als hätte ich das Geräusch von Pferdehufen gehört. Wo ist er hin? Es ist doch gerade erst fünf Uhr vorbei.”
    Dicke Tränen schimmerten in Lydias Augen, als sie zu ihrem Vater empor sah. “Papa, ich muss zu ihm … ich muss unbedingt. Aber frage mich bitte nicht, warum.”
    Wortlos schob der Pfarrer sein Töchterchen in die dämmerdunkle Bibliothek und sah sich dann ratlos um, so als könnten ihm die zahllosen Buchrücken in den deckenhohen Regalen eine Erklärung für das beunruhigende Verhalten der kleinen Lydia geben. Im selben Moment hatte das Mädchen jedoch bemerkt, dass Freddie die Tür des Schrankes offen gelassen hatte, in welchem die Pistolen aufbewahrt wurden, und sie versuchte vorsichtig, sich der Schranktür zu nähern, um sie unbemerkt schließen zu können. Aber ach, es war bereits zu spät dafür. Auch der Vater hatte nun den geöffneten Schrank entdeckt.
    “Großer Gott, was führt dieser törichte Junge im Schilde?”, rief der Pfarrer außer sich. “Du weißt es, Lydia! Du weißt, wohin er gegangen ist, nicht

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