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Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Titel: Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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auf die Betrunkenen zu warten.
    Um zehn Uhr rauschten zwei größere Busse mit ausländischen Touristen an, die allerdings nur noch die Trümmer eines Markttages vorfanden. Die meisten Einheimischen hatten sich mit ihren gekauften Waren bereits wieder auf den Heimweg gemacht. Lamas trottelten brav am Strick nach Hause .
    Die bunten einheimischen Privatbusse standen abfahrbereit am Straßenrand. Die Windschutzscheiben waren mit plüschigen Gardinen, Heiligenfiguren, Kreuzen und anderen Devotionalien verhangen. Ihre Scheiben beschlugen aus Mangel an Belüftung, als die Busse die müden Fahrgäste im Inneren verschluckten. Die Busfahrer und männlichen Fahrgäste verstauten währenddessen schweißtreibend die großen Gemüsesäcke draußen auf dem Dach. Schweine und Schafe wurden ebenso widerspenstig mit Seilen auf das rutschige Busdach gezogen. Die Tiere machten sich ängstlich fürs Bussurfing bereit.
    Es gab nur wenige Privatautos in diesem Ort, und so sprangen die Leute schnell in irgendwelche Busse, auf Pickups oder Privatlastern, um eine der begehrten Mitfahrgelegenheiten zu erwischen. Aber auch das regelte sich wie fast alles in Ecuador unkompliziert und irgendwie gelassen.
    Auch w ir kletterten nach einem wunderschönen und interessanten Tag auf die Ladefläche eines Viehtransporters, ließen uns den Wind um die Ohren wehen, beantworten neugierige Fragen der Mitfahrenden und freuten uns wieder einmal, dieses einzigartige Stückchen Ecuador mit seinen Menschen kennengelernt zu haben.
     

Zum Merken würdig oder einfach merkwürdig ?
    E s quietschte und strampelte in den Jutesäcken auf dem Markt. Die Frauen griffen beherzt hinter die Meerschweinchenohren und begutachten sorgfältig die flauschigen Tiere. In Ecuador zählten Meerschweinchen, auf Spanisch »cuy«, zu den besonderen Delikatessen und das bereits in der Inkakultur. Meerschweinchen zeigten die Wertschätzung der Gäste, besonders bei offiziellen Festen.
    Wir unterlagen dem Gesetz des sanften Gruppenzwangs und gingen mit mehreren auf diese kulinarische Reise. Wenn mehrere Millionen Meerschweinchen jährlich verspeist wurden, dann mussten sich unsere westlichen Geschmacksknospen auch daran erfreuen.
    Die Art der Zubereitung und das Aussehen der Tiere waren zunächst gewöhnungsbedürftig. Die Meerschweinchen wurden vor unseren Augen enthaart – glücklicherweise bereits tot – auf Pflöcke gespießt und eine Viertelstunde über Kohle gegrillt. Jedes Lebewesen musste wohl bei so einem dicken Pflock im Hintern gequält grinsen. Das aufgespießte Meerschwein streckte uns die vorderen Schneidezähne und die kleinen Krallen entgegen. Die geschäftige Frau am Grill meinte es gut mit uns, und bracht die Krallen für uns zum Probieren ab. Lächelnd knabberten wir vor ihr daraufherum.
    Nach einer kurzen Zeit lagen die drei knusprig gegrillten Schweinchen für sechs Personen zum Vernaschen auf großen Platten bereit. Unsere Gruppe am Tisch bestand sowohl aus Ecuadorianern als auch aus Europäern. Die Verteilung des Essens sah dementsprechend aus. Keiner von uns Europäern war erpicht auf den Anblick des Kopfes auf seinem Teller und musste lächeln, als sich die Ecuadorianer freudestrahlend die drei Köpfe auf die Teller luden. Sie knabberten restlos alle Teile vom Kopf ab und ließen dabei auch nicht die kleinen verschrumpelten Ohren übrig.
    Wir waren erstaunt vom guten Geschmack des Fleisches, welches wir mit nichts vergleichen konnten. Die Menge erinnerte uns allerdings an ein Hummeressen ohne Hummerschwanz, bei dem das Knappern und Knacken das eigentliche Ritual darstellte. Die herausgeprokelte Fleischmenge war eher zu vernachlässigen.
    Sahen u nsere Meerschweinchen mit Fell wohlgenährt aus, waren sie nun auf dem Teller ohne Fell kleine dürre Wesen, deren dunkelbraunes Fleisch wir zwischen den spitzen Rippchen erahnen mussten. Das Filet des Meerschweinchens war so dünn, dass wir spielend dadurch Zeitung lesen konnten. Das höflicherweise hingelegte Besteck konnte man sich schlichtweg sparen, denn so filigran filetierte niemand mit dem Messer diese Nager. Oder sprach man beim Meerschwein von sezieren? Zumindest zupften wir mit spitzen Fingern am kleinen Skelett des Tieres herum. Die lecker aussehende Haut war in unserem speziellen Fall zäh und ließ uns auch nach vielen Verdauungsschnäpsen schlecht schlafen. Oder waren es die Augen des Meerschweinchens, die uns selbst im Traum noch immer anglotzten?
    Das Auge isst eben doch mit, auch wenn’s gut

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