Baltrumer Bitter (German Edition)
Hand auf den Arm. »Arnold, kannst du mich hören?«
Arnold Steenken schlug die Augen auf, schaute sich um, und ein
kleines Leuchten der Hoffnung spiegelte sich in ihnen, als er die Polizisten
sah. Langsam, als ob er es noch gar nicht glauben könnte, nahm er die Arme nach
vorne und rieb sich verwundert die Handgelenke. »Schön, dass ihr da seid«,
krächzte er.
»Komm, wir gehen raus. Kannst du laufen?« Michael Röder und
sein Kollege hakten Steenken unter. Noch immer lag Hanefeld im Türbereich, so
als wollte er noch mit seinem ohnmächtigen Körper den Weg nach draußen versperren.
Normalerweise hätte Kleemann mit den Verletzten drinnen auf die
Ärztin gewartet, zumal sich um das Grundstück herum trotz der für Urlauber
recht frühen Morgenstunde bereits einige Schaulustige gruppiert hatten. Auch
Frau Kramer aus dem Nachbarhaus hatte sich nach draußen gewagt, das
Geschirrhandtuch lässig um den Hals geschwungen. Komisch, was einem so
auffällt, dachte Kleemann, dabei bricht hier für mindestens einen Menschen
gerade die Welt zusammen.
Der Gestank nach Benzin war einfach unerträglich. »Wir tragen
Hanefeld raus auf die Wiese. Dann kommt ihr mit Herrn Steenken nach.«
Während sie Hanefeld im Gras
ablegten, war sein Wimmern wieder lauter geworden. Arndt Kleemann beugte sich
über den Verletzten. Es war hochnötig Zeit, dass der Mann Hilfe bekam, das Blut
floss zwar nicht kräftig, aber unaufhaltsam aus der Wunde an seiner linken
Hand. Sollte er den Arm noch abbinden? Er schaute hoch und atmete auf. Dr.
Neubert und ihre Kollegen vom Rettungsdienst kamen, gefolgt von den Männern der
Feuerwehr.
Michael Röder und Berend Luiken hatten Arnold Steenken
untergehakt. »Arnold, komm, das schaffst du. Es sind nur ein paar Schritte,
dann bist du in Sicherheit.« Unsicher torkelnd ließ er sich von den beiden
Männern ins Freie führen.
Suchend schaute er sich um. »Meine Familie«, sagte er stockend.
»Ich sage Bescheid. Deine Frau wird gleich hier sein«,
beruhigte Röder ihn. »Aber erst muss Ellen dich ansehen. Vielleicht musst du
noch ins Krankenhaus.«
Vehement schüttelte Steenken den Kopf. »Nein. Da will ich nicht
hin. Bin nur ein bisschen … schlapp.« Steenken wankte und klappte dann langsam
zusammen.
*
Georg Hanefeld lag stumm auf der Trage des Krankenwagens.
Tränen liefen ihm unaufhörlich an der Wange herunter und bildeten eine kleine
feuchte Stelle auf dem weißen Laken gleich neben seinem rechten Ohr. Gerade
waren sie im Hafen angekommen. Die Besatzung der Elli Hoffmann-Röser ,
des rot-grün-weißen Bootes der DGzRS, die den Kranken ans Festland bringen
würde, war bereits an Bord. Ebenso Klaus Kockwitz, der den Verletzten nach
Neßmersiel begleiten würde. Dort warteten bereits der Rettungswagen und zwei weitere
Kollegen.
»Herr Hanefeld.« Kleemann drückte leicht die Hand des Mannes.
»Haben Sie mir was zu sagen? Haben Sie etwas mit dem Tod von Frank Visser zu
tun?«
»Ich habe sie geliebt. Ich wollte sie nicht verlieren. Dann
lieber tot.«
War das gerade ein Geständnis gewesen? »Hanefeld, haben Sie ihn
getötet?«
Hanefeld schwieg.
»Hanefeld, reden Sie!«, fasste Kleemann nach, doch Dr. Neubert
schaute ihn eindringlich an.
»Ich glaube, das wird jetzt nichts mehr. Ich habe den Mann
ruhiggestellt. Aus dem kriegst du jetzt nichts mehr raus«, flüsterte sie.
Im selben Moment drehte sich Maik Bernhardt, der Fahrer des
KTWs um und sagte: »Wir können.«
»Ich war es.«
Arndt Kleemann, der gerade im Begriff war, aus dem Fahrzeug zu
steigen, erstarrte. Hatte Hanefeld was gesagt? »Moment noch. Wartet eben«, bat
er Maik Bernhardt, der mit den beiden Männern der Besatzung die Trage aus dem
Auto ziehen wollte. »Ich höre.«
»Er sollte sie nicht haben«, flüsterte Hanefeld. »Habe an ihrem
Haus gestanden. Viele Nächte. Manchmal hat sie mir vom Fenster zugewinkt. Aber
an diesem Abend nicht. Sie ist rausgekommen, ist einfach rumgelaufen. Irgendwie
verträumt. Ich habe sie verfolgt. Beim Strandcafé hat sie durchs Fenster
geguckt. Sie hat ihn nicht aus den Augen gelassen. Ihre Augen. Ihre Augen haben
so geleuchtet …«
»Weiter«, drängte Kleemann.
»Visser ist aufgestanden. Sie hat sich versteckt und ist ihm
gefolgt. Ich bin hinterher. Beim Cobigolfplatz haben sie sich dann getroffen.
Sie haben sich angesehen. Widerlich. Er wollte sie …« Hanefeld weinte. »Sie
gehört mir, wissen Sie. Ich habe sie nach Hause geschickt. Er hing am Zaun,
völlig besoffen. Dann habe ich
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