Baltrumer Bitter (German Edition)
Klara
schluckte, und auch in Hildas Augen standen Tränen. »Besonders für meinen Chef.
Der hat nicht nur einen Mitarbeiter, sondern auch seinen Sohn verloren. Ich bin
echt gespannt, was nun passiert. Außerdem hat mein Chef dieses Verfahren wegen
der Gelder an der Backe. Schwere Zeit für ihn. Das Projekt auf Baltrum ist
bestimmt erst einmal gelaufen. Kann mir nicht vorstellen, dass der da jetzt
Energie reinsteckt.«
»Zumal er Lohmann und Hanefeld nicht mehr zur Verfügung hat«,
warf Arnold ein. »Da wird so manches Genehmigungsverfahren eine Weile länger
dauern.«
»Lohmann, das ist das Stichwort.« Arndt Kleemann schaute den
Hausherrn gespannt an. »Herr Steenken, erzählen Sie uns doch mal, was Sie mit Ihrem
Bürgermeister auf der Strandmauer angestellt haben. Oder möchten sie lieber
ohne Publikum auf der Wache darüber reden?«
Arnold Steenken winkte ab. »Nein, schon gut. Ich war tierisch
sauer auf den. Als ich ihn unterhalb der Strandmauer gesehen habe, habe ich ihn
mir geschnappt und wollte ihn zum Reden bringen. Zuerst hat das feige Schwein
aber nichts gesagt, hat weiter ziemlich großkotzig einen auf Herrscher gemacht.
Dann habe ich ihm einen Tritt in die Breitseite verpasst, das gebe ich gerne
zu. Aber erst, als ich seine Angel zerbrochen habe, hat er sich bereit erklärt,
ein paar Dinge aufzuschreiben.« Er langte in seine Hosentasche. »Hier, da steht
eine ganze Menge Zeug, das ihm zum Verhängnis geworden wäre. Wenn er noch leben
würde.«
Arndt Kleemann griff nach
den Zetteln und las aufmerksam. »Offiziell gesehen sind diese Dinge natürlich
unter Druck erpresst worden, das muss Ihnen auch bewusst sein. Und wie wir mit
Ihrem Ausraster da an der Mauer umgehen, wird auch noch zu klären sein. Zumal
Sie ja wohl bereits den Ast dabeihatten, als Sie dort aufgetaucht sind. Also
können wir von Vorsatz ausgehen, und nicht, dass sie den Mann zufällig
getroffen haben.«
»Den Ast habe ich am Strand gefunden. War wohl angespült worden.
Ich habe ihn nicht benutzt. Nur damit gedroht«, rechtfertigte sich Arnold
leise.
»Aber sagen Sie mir, was hatten Sie eigentlich dann bei
Hanefeld zu suchen? Wollten Sie dem auch ’ne Angel zerbrechen?«
»Ich … – Eigentlich wollte ich gar nicht mehr zu ihm. Die Luft
war raus, nachdem ich den Bürgermeister …, Sie verstehen. Aber dann bin ich
doch wieder wütend geworden, als ich darüber nachgedacht habe, wie sehr er mein
Vertrauen missbraucht hat. Man kann doch nicht alles so hinnehmen. Ich weiß,
dass ich das alles anders hätte klären müssen. Ich bin kein Gewalttäter. Ich
bin dann doch noch ins Ostdorf gefahren. In seinem Haus war er nicht, und als
ich im Gartenhaus stand … Den Rest kennen Sie.«
»Wir werden das alles zu Protokoll nehmen, Herr Steenken.«
»Und jetzt hätte ich gerne mal zu Protokoll genommen, wo du
vorgestern gewesen bist«, sagte Margot. Arnold zuckte zusammen.
»Als du sagtest, du seiest bei Thorsten Wissmann gewesen. Der
hat mir nämlich ganz was anderes erzählt. Oder möchtest du das Thema, wie sagte
Herr Kleemann eben, ohne Publikum bereden?«
»Margot, ich denke, das ist nun wirklich nur eine Sache
zwischen euch beiden«, schaltete sich Michael Röder ein.
»Nein, nein, lass nur. Wenn sie es unbedingt wissen will. Es
ist zwar bitter …« Arnold stockte.
»Was ist bitter?«, hakte seine Frau misstrauisch nach.
Doch anstatt einer Erklärung strahlte Arnold Steenken, soweit
es ihm möglich war, über das ganze Gesicht. »Ich habe ihn gefunden.« Und als
alle am Tisch ihn verwundert anstarrten, schob er nach. »Den Namen. Für meinen
Kräuterschnaps. Baltrumer Bitte r. Genau so soll er heißen. Hilda, geh
mal in den Keller und hole eine Flasche. Alles andere kann warten.«
Ende
Ulrike Barow , 1953 in Gütersloh geboren, lebt mit
ihrer Familie im schönen Leer (Ostfriesland) und auf der Nordseeinsel Baltrum.
Sie ist gelernte Buchhändlerin.
Ihre bisher fünf Kriminalromane (zuletzt Baltrumer Dünengrab ,
Leda-Verlag 2011) spielen alle auf Baltrum. So wird die kleine Insel seit fünf
Jahren regelmäßig von einem Verbrechen erschüttert. Außerdem ist sie in vielen
Anthologien mit Kurzgeschichten vertreten, zuletzt in Mordkompott
meerumschlungen (Leda-Verlag 2011). Sie ist Mitglied der Mörderischen
Schwestern und im Syndikat . www.barow-baltrum.de
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