Band 1 - Blutspur
ich wenigstens eine Fahrt zurück zur I. S.-Zentrale bekommen, nachdem mein Fuß auf die doppelte Größe angeschwol en war? Nein!
Und in letzter Zeit wurde mir noch weniger zugeteilt: Diebstähle wie die der Kids von der Studentinnen-vereinigung, die Amulette missbraucht hatten, um Leitungskabel zu stehlen; Zaubersprüche, die eingesetzt wurden, um jemandem einen Streich zu spielen; und mein unvergesslicher Favorit - die Vertreibung von Trol en aus ihren Behausungen unter Brücken und Unterführungen, bevor sie den ganzen Beton auffraßen. Ich stieß einen Seufzer aus, als ich mich im Pub umsah. Erbärmlich.
Jenks entzog sich meinem apathischen Versuch, nach ihm zu schlagen, als er sich wieder auf meinem Ohrring niederließ. Dass sie ihm dreimal so viel zahlten, damit er bereit war, mit mir zu arbeiten, hob meine Stimmung auch nicht gerade.
Eine grün gekleidete Kel nerin eilte zu uns herüber. Für diese Uhrzeit war sie beängstigend fröhlich. »Hi«, sagte sie strahlend. »Mein Name ist Dottie. Ich bin heute Abend Ihre Bedienung.« Noch immer lächelnd stel te sie mir drei Drinks hin: eine Bloody Mary, einen Old Fashioned und einen Shirley Temple. Wie süß.
»Danke, Honey«, entgegnete ich mit einem erschöpften Seufzer. »Von wem?«
Sie rol te ihre Augen in Richtung Theke und versuchte vergeblich, gelangweilte Kultiviertheit zu zeigen. Stattdessen sah sie aus wie ein Highschool-Mädchen auf dem großen Bal . Ich spähte an ihrer schmalen, beschürzten Tail e vorbei und betrachtete die drei Schnarchnasen mit ihren lüsternen Blicken und an eindeutiger Stel e eng sitzenden Hosen. Es war eine alte Tradition: Einen Drink zu akzeptieren bedeutete, auch die Einladung anzunehmen, die dahintersteckte. Eine weitere Sache, auf die Ms. Rachel achten musste. Sie sahen normal genug aus, aber man konnte nie wissen.
Als Dottie klar wurde, dass es kein weiteres Gespräch geben würde, kehrte sie an den Tresen zurück, um irgendwelche Kel nerinnensachen zu machen.
»Überprüf sie, Jenks«, flüsterte ich, und der Pixie flitzte davon, seine Flügel vor Aufregung gerötet. Niemand sah ihn verschwinden. Pixiearbeit vom Feinsten.
Im Pub war es ruhig, aber da zwei Kel ner hinter der Bar standen, ein alter Mann und eine junge Frau, ging ich davon aus, dass sich der Laden bald fül en würde. Der Blood and Brew war eine bekannte Adresse, wo die Normalos sich unter die Inderlander mischten. Anschließend fuhren sie mit verschlossenen Türen und verriegelten Fenstern zurück über den Fluss - erregt und in dem Glauben, sie seien heiße Typen.
Und obwohl ein einziger Mensch unter Inderlandern auffäl t wie ein Pickel im Gesicht einer Schönheitskönigin, kann sich ein Inderlander leicht unter Menschen bewegen. Es ist eine Überlebensstrategie, die schon seit der Zeit vor Pasteur immer weiter verfeinert wurde. Darum auch der Pixie. Fairies - die kleinen, geflügelten Blumenfeen - und Pixies können sprichwörtlich schnel er einen Inderlander riechen, als ich »Spuck« sagen kann.
Halbherzig sah ich mich in der fast leeren Bar um. Meine schlechte Laune verschwand schlagartig und ich lächelte, als ich ein bekanntes Gesicht aus dem Büro sah. Ivy.
Ivy war ein Vampir, der Star unter den I. S.-Runnern. Jahre zuvor waren wir uns während meines Praktikums begegnet, als wir während meines letzten Ausbildungsjahres bei Trainingsläufen ein Team gebildet hatten. Sie hatte sich direkt als ausgebildeter Läufer einstel en lassen, nachdem sie die Universität nach sechs Jahren abschloss, statt, wie ich, den Weg über zwei Jahre Col ege und ein vierjähriges Praktikum zu wählen. Irgendjemand hatte es wohl witzig gefunden, uns einander zuzuweisen.
Mit einem Vampir zusammenzuarbeiten - lebendig oder tot -, hatte mich völ ig verängstigt, bis ich herausfand, dass Ivy kein praktizierender Vampir war, sondern dem Blut abgeschworen hatte. Wir waren so verschieden, wie es zwei Leute nur sein können, aber irgendwie ergänzten wir uns, denn ihre Stärken waren meine Schwächen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ihre Schwächen meine Stärken waren, aber Ivy hatte keine Schwächen, von der Angewohnheit, al es akribisch zu planen, mal abgesehen.
Wir hatten seit Jahren nicht mehr zusammengearbeitet, und trotz meiner widerstrebend bewil igten Beförderung hatte Ivy einen höheren Rang. Sie wusste einfach immer, wann man wem was am besten sagte. Es schadete natürlich auch nicht, dass sie zur Tamwood-Familie gehörte, ein Name so alt wie
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