Band 1 - Blutspur
hören, meine Hübsche?« Der Kleine hatte meinen Tisch erreicht und gab sich nun die größte Mühe, möglichst männlich zu klingen.
»Mein Name ist Sue, nicht Hübsche«, log ich, und starrte an ihm vorbei zu Ivy hinüber. Sie grinste über das ganze Gesicht. Großartig. Das würde in unserem Büro-Newsletter fantastisch aussehen.
»Du hast deinen Fairy-Freund geschickt, um mich zu ü-
berprüfen«, sagte er in einem singenden Tonfal .
»Er ist ein Pixie - kein Fairy«, sagte ich. Der Typ war entweder ein dummer Mensch oder ein gerissener Inderlander, der vorgab, ein dummer Mensch zu sein. Ich tippte auf Möglichkeit eins.
Er öffnete seine Faust, und Jenks schwebte in torkelndem Flug auf meinen Ohrring. Einer seiner Flügel war verbogen, und er verlor Pixiestaub, der auf dem Tisch und meiner Schulter kurzzeitig aufleuchtete. Ich schloss meine Augen, um mich zu sammeln. Natürlich würde das hier auf meine Kappe gehen, war ja klar.
In meinem Ohr ertönte Jenks' wutentbranntes Fauchen und ich runzelte die Stirn. Ich hielt keinen seiner Vorschläge für anatomisch machbar - aber zumindest wusste ich nun, dass der Kleine ein Mensch war.
»Komm, ich zeig dir meine große Pfeife im Wagen«, sagte der Kleine. »Ich wette, du bringst sie zum Si-i-i-ngen.«
Ich schaute an ihm hoch. Das Angebot des toten Vampirs machte mich immer noch nervös.
»Hau ab.«
»Ich werde es vol bringen, Suzy-Q«, prahlte er, und ließ sich, meinen feindseligen Blick für eine Einladung haltend, an meinem Tisch nieder. »Ich werde zur Küste fahren, sobald ich genug Geld habe. Ich habe einen Freund im Musik-Biz. Er kennt 'nen Typen, der den Typen kennt, der Janice Joplins Pool reinigt.«
»Hau ab«, wiederholte ich. Er lehnte sich jedoch nur zurück, verzog sein Gesicht und sang in hohem Falsetto
»Sue-sue-sussudio« zu einem holprigen Rhythmus, den er auf den Tisch trommelte.
Was für eine peinliche Szene. Es würde mir sicher niemand verübeln, wenn ich ihn so richtig vermöbelte. Aber nein, schließlich war ich ein aufrechter kleiner Soldat im Kampf gegen Verbrechen an den Normalos, auch wenn niemand dieses Weltbild mit mir teilte. Lächelnd lehnte ich mich zu ihm hinüber, bis er einen guten Ausblick in mein Dekol ete hatte. Damit erregt man immer ihre Aufmerksamkeit, selbst wenn es dort wenig zu sehen gibt. Mit einem schnel en Griff über den Tisch packte ich in die kurzen Haare auf seiner Brust und zog. Das ist eine weitere, weitaus befriedigendere Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit zu wecken.
Der Aufschrei, in dem sein Singsang endete, ging mir runter wie Öl. »Verschwinde«, flüsterte ich. Ich drückte ihm einen der verbliebenen Drinks in die Hand und wickelte seine schlaffen Finger um das Glas. »Und entsorg das für mich.«
Seine Augen weiteten sich noch ein wenig mehr, als ich ein letztes Mal an seinem Brusthaar zog, bevor ich meine Finger widerwil ig von ihm löste. Er trat einen überstürzten Rückzug an und verschüttete dabei die Hälfte des Drinks.
Ich hörte Beifal vom Tresen und erntete ein breites Grinsen von dem alten Barmann. »Dummer Junge«, murmelte ich. Er hatte in den Hol ows nichts zu suchen.
Jemand sol te seinen Arsch zurück auf die andere Seite des Flusses befördern, bevor er ernsthaft verletzt wurde.
Ein Glas stand noch vor mir und es wurden sicherlich Wetten abgeschlossen, ob ich es trinken würde. »Bist du okay, Jenks?«, fragte ich, wohl wissend, wie die Antwort lauten würde.
»Dieser abgebrochene Riese quetscht mir fast die Lunge aus dem Leib und du fragst, ob ich OKAY bin?«, fauchte er.
Seine Begeisterung war nicht zu überhören und ich hob gelassen die Brauen. »Meine Rippen sind fast gebrochen.
Überal schleimiger Gestank. Al mächtiger, stinke ich. Und sieh dir nur mal an, was er mit meinen Klamotten gemacht hat. Weißt du eigentlich, wie schwierig es ist, so einen Gestank aus Seide rauszukriegen? Meine Frau lässt mich in den Blumentöpfen schlafen, wenn ich so nach Hause komme.
Vergiss die dreifache Bezahlung, Rachel. Das bist du nicht wert!«
Jenks bekam nie mit, wenn ich aufhörte, ihm zuzuhören. Er hatte mit keiner Silbe seinen Flügel erwähnt, also wusste ich, dass es nicht weiter dramatisch war. Genervt ließ ich mich in die Sitzecke zurückfal en. Da Jenks in seinem jetzigen Zustand nicht vol einsatzfähig war, war ich so gut wie bewegungsunfähig. Ich war, wie man so sagte, »grandios gewandelt«. Wenn ich mit leeren Händen zurückkehrte, konnte ich bis zum
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