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Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Kapitel 1
›Ich bin nicht ich selbst‹
     
    »Mutter. Vater. Habe ich es richtig gemacht?«
     
    Die letzten Worte der Han Qing-jao, aus
    Der Gott flüstert von Han Qing-jao
     
    Si Wang-mu trat vor. Der junge Mann namens Peter nahm ihre Hand und führte sie ins Sternenschiff. Die Tür schloß sich hinter ihnen.
    Wang-mu nahm auf einem der Drehsessel in der kleinen Kammer mit den Metallwänden Platz. Sie schaute sich um, in der Erwartung, daß sie etwas Fremdartiges und Neues sehen würde. Bis auf die Metallwände hätte es jedes beliebige Büro auf dem Planeten Weg sein können. Sauber, aber nicht übertrieben sauber. Praktisch eingerichtet. Sie hatte Holos von fliegenden Schiffen gesehen: die elegant stromlinienförmigen Kampfschiffe und die Shuttles, die in die Atmosphäre eintauchten oder aus ihr aufstiegen; die riesigen, abgerundeten Gebilde der Sternenschiffe, die sich so weit der Lichtgeschwindigkeit näherten, wie es Materie nur eben möglich war. Auf der einen Seite die zugespitzte Macht einer Nadel; auf der anderen Seite die geballte Macht eines Vorschlaghammers. Aber hier, in dieser Kammer, war überhaupt nichts von Macht zu spüren. Es war einfach nur ein Zimmer.
    Wo war der Pilot? Es mußte doch einen Piloten geben, denn der junge Mann, der ihr gegenübersaß und seinem Computer etwas zuflüsterte, war wohl kaum damit beschäftigt, ein Sternenschiff mit Überlichtgeschwindigkeit zu fliegen.
    Und doch schien gerade das der Fall zu sein, denn es gab keine weiteren Türen, die in andere Kammern hätten führen können. Von außen hatte das Sternenschiff winzig gewirkt; diese Kammer nahm offensichtlich den gesamten vorhandenen Raum ein. Dort, in der Ecke, befanden sich die Batterien, die Energie von den Solarkollektoren auf der Oberseite des Schiffes speicherten. In jenem Kasten, der wie ein Kühlschrank isoliert zu sein schien, mochten sich Speisen und Getränke befinden. So viel zum Lebenserhaltungssystem … Wo war die Romantik des Sternenfluges geblieben, wenn das alles war, was man dazu brauchte? Ein einfaches Zimmer!
    Da es nichts anderes gab, das sie sich hätte anschauen können, musterte sie den jungen Mann am Computerterminal. Sein Name sei Peter Wiggin, hatte er gesagt. Der Name des altberühmten Hegemons, derjenige, der die gesamte menschliche Rasse unter seiner Herrschaft vereinigt hatte, damals, als die Menschen auf nur einer Welt zusammenlebten, sämtliche Nationen und Rassen und Religionen und Philosophien dicht an dicht zusammengedrängt, ohne daß es eine Möglichkeit gegeben hätte, irgendwo anders hinzugehen als in die Länder der anderen. Denn damals war der Himmel die höchste Grenze und der Weltraum ein unermeßlicher Abgrund gewesen, der sich nicht überbrücken ließ. Peter Wiggin, der Mann, der die menschliche Rasse regiert hatte. Das hier war natürlich nicht er, und das hatte er auch zugegeben. Andrew Wiggin schickte ihn; aufgrund der Dinge, die Meister Han ihr erzählt hatte, erinnerte Wang-mu sich, daß Andrew Wiggin ihn irgendwie hervorgebracht hatte. Machte das den berühmten Sprecher für die Toten zu Peters Vater? Oder war er irgendwie Enders Bruder, nicht nur nach diesem benannt, sondern eine tatsächliche Verkörperung des Hegemons, der vor dreitausend Jahren gestorben war?
    Peter hörte auf zu murmeln, lehnte sich in seinem Sessel zurück und seufzte. Er rieb sich die Augen, dann reckte er sich und ächzte. Es war sehr ungehörig, so etwas in Gesellschaft zu tun. Die Art von Benehmen, die man vielleicht von einem ungehobelten Feldarbeiter erwartet hätte.
    Er schien ihre Mißbilligung zu spüren. Oder vielleicht hatte er sie auch vergessen und erinnerte sich nun plötzlich daran, daß er Gesellschaft hatte. Ohne sich gerade in seinem Sessel aufzusetzen, drehte er den Kopf und sah sie an.
    »’tschuldigung«, sagte er. »Hatte ganz vergessen, daß ich nicht allein bin.«
    Trotz eines lebenslangen Sichzurückziehens vor kühnen Worten verlangte es Wang-mu danach, kühn zu ihm zu sprechen. Schließlich hatte er mit ungehöriger Kühnheit zu ihr gesprochen, als sein Sternenschiff wie ein frisch aus dem Boden geschossener Pilz auf der Flußwiese erschienen und er mit einem einzelnen Glasröhrchen mit einem Virus, der ihre Heimatwelt – Weg – von ihrer genetischen Krankheit heilen würde, herausgetreten war. Vor noch nicht einmal einer Viertelstunde hatte er ihr in die Augen geschaut und gesagt: »Komm mit mir, und du wirst die Geschichte verändern. Geschichte machen.«

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