Band 1 - Blutspur
nächsten Frühling nur noch mit Vol mondunruhen und Amulettbeschwerden rechnen. Als ob das hier meine Schuld wäre.
Jetzt wo Jenks nicht mehr unbemerkt fliegen konnte, war der Einsatz so gut wie gelaufen. Wenn ich ihm ein paar Maitake-Pilze kaufte, hielt er dem Diensthabenden gegenüber viel eicht dicht, was den Schaden an seinem Flügel anging. »Zum Teufel«, dachte ich. »Jetzt kann ich auch eine Party daraus machen.« Es mir noch einmal richtig gut gehen lassen, bevor der Boss sozusagen meinen Besen an einen Baum nagelte. Ich könnte einen Abstecher zum Shoppingcenter machen und mir ein Schaumbad und eine neue Slow-Jazz CD gönnen. Meine Karriere befand sich im unaufhaltsamen Sturzflug, da konnte ich die Fahrt ebenso gut genießen.
Vol perverser Vorfreude nahm ich meine Tasche und den Shirley Temple, stand auf und ging zur Bar. Es ist nicht mein Stil, solche Dinge ungeklärt zu lassen. Kandidat Nummer drei erhob sich mit einem eindeutigen Grinsen im Gesicht. Gott, hilf mir. Männer können so ekelhaft sein. Ich war müde, entnervt und hoffnungslos unterschätzt.
In dem Bewusstsein, dass ich ihn, ganz egal was ich sagte, nicht von dem Vorhaben abbringen würde, mich abzuschleppen, schüttete ich ihm den klebrigen Drink über sein Hemd und ging.
Mein Grinsen über seinen Wutschrei verwandelte sich in ein Stirnrunzeln, als er mir eine Hand auf die Schulter legte.
Ich ging in die Hocke und trat ihn mit einer harten Halbdrehung zu Boden. Er schlug mit einem lauten Knal auf die hölzernen Dielen, das einzige Geräusch in der inzwischen totenstil en Bar. Bevor ihm überhaupt bewusst wurde, dass ich ihn niedergestreckt hatte, saß ich schon auf seiner Brust.
Dann packte ich seinen Hals und kratzte mit meinen blutroten Fingernägeln über die Stoppeln an seinem Kinn.
Seine Augen waren weit aufgerissen. Cliff stand mit verschränkten Armen an der Tür und gab sich damit zufrieden, das Ganze zu beobachten.
»Verdammt, Rachel«, sagte Jenks von meinem schaukelnden Ohrring aus, »von wem hast du das gelernt?«
»Von meinem Vater«, antwortete ich und beugte mich ganz nah zu dem entsetzten Gesicht hinunter. »Es tut mir ja so leid«, hauchte ich mit einem starken Hol ows-Akzent.
»Wil st du spielen, Süßer?« Seine Augen waren angsterfül t, als er merkte, dass ich ein Inderlander war und kein Dummchen auf der Suche nach einer heißen Nacht des schönen Scheins. Er war süß, okay. Ein kleiner Leckerbissen, mit dem man Spaß hatte und den man schnel vergaß. Ich würde ihn nicht verletzen, aber das wusste er nicht.
»Heilige Mutter Tinker Bel !«, rief Jenks aus und lenkte meine Aufmerksamkeit von dem schluchzenden Menschen ab. »Riechst du das? Klee!«
Meine Finger lösten sich und der Typ krabbelte unter mir hervor. Er kam wieder auf die Beine, zog seine beiden Kol egen mit sich und beschimpfte mich leise, um sein Gesicht zu wahren. »Einer der Barkeeper?«, hauchte ich, als ich aufstand.
»Es ist die Frau«, sagte der Pixie, während meine Anspannung zurückkehrte.
Ich hob den Blick und beobachtete sie. Ihre enge, schwarz-grüne Uniform saß wie angegossen und sie erweckte den Eindruck gelangweilter Kompetenz, als sie sich selbstbewusst hinter dem Tresen bewegte. »Spinnst du, Jenks?«, murmelte ich, wobei ich unauffäl ig versuchte, meine Hose wieder zurechtzuziehen. »Sie kann es nicht sein.«
»Genau!«, blaffte er. »Als ob du das beurteilen könntest.
Ignoriere den Pixie. Ich könnte jetzt gerade zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Aber nein. Ich hänge hier fest mit einer Bohnenstange von zurückgebliebener Emanze, die glaubt, meinen Job besser machen zu können als ich. Mir ist kalt, ich habe Hunger, und mein Flügel ist fast gebrochen.
Wenn die Hauptader reißt, muss ich den gesamten Flügel nachwachsen lassen. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie lange das dauert?«
Ich sah mich um und bemerkte erleichtert, dass al e wieder zu ihren Gesprächen zurückgekehrt waren. Ivy war weg und hatte die ganze Sache wahrscheinlich verpasst. Umso besser.
»Halt die Schnauze, Jenks«, murmelte ich. »Tu einfach so, als würdest du zur Einrichtung gehören.«
Ich schlängelte mich zu dem alten Barkeeper durch. Er lächelte mich an und präsentierte dabei eine eindrucksvol e Zahnlücke. Als ich mich über den Tresen beugte, verzog sich sein Gesicht anerkennend, während seine Augen überal hinblickten, nur nicht in mein Gesicht. »Gib mir was«, hauchte ich. »Etwas Süßes. Etwas, damit ich mich gut
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