Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Anschein zu erwecken, ich sei ein kerngesunder, halt typisch Schweizer Banker, stabil wie das Matterhorn, zuverlässig und genau wie eine Rolex, seriös wie ein Steuerkommissär und kompetent wie ein ETH-Professor. Wie der äußere Eindruck manchmal täuschen kann, dachte Kuster, denn ganz selten war er sogar zu bemerkenswerter Selbstironie fähig.
Fünfundachtzig
Missmutig studierte Hugentobler Ferienprospekte, die ihm sein Sekretariat zusammengestellt hatte. Ein DDR-Bürger vor dem Fall der Mauer fühlte sich auch nicht viel besser, seufzte er. Die USA fielen als Reiseziel für einen Schweizer Banker ja mal weg, zu groß war das Risiko, dass er am Flughafen gleich in den Knast gesteckt wurde und dann noch ein paar Monate als, wie hieß das schon wieder, genau, material witness nicht mehr aus Amiland rauskam.
Karibik fiel eigentlich auch flach, denn die meisten anständigen Airlines flogen ja über Miami, und die Amis kennen den Begriff Transitpassagier auch schon lange nicht mehr. Oder dann nach Mexico City ausweichen und nochmals drei Stunden zurückfliegen, das machte ja auch nicht wirklich Spaß. Caracas wäre ja eine Alternative, grinste Hugentobler kurz, aber wenn es diesem Irren Chavez gerade einfällt, nach der Holcim auch noch ein paar Schweizer Bankfilialen zu verstaatlichen, da käme ihm ein Hugentobler vielleicht gerade recht.
Aber das war ja noch längst nicht alles. Deutschland war inzwischen auch ein ziemlich heißes Pflaster für Schweizer Banker, und dank der EU konnte das auch Ärger bedeuten, wenn man in Paris, Madrid oder Rom aus dem Flieger steigt, um sich etwas wohlverdiente Entspannung zu gönnen.
Hugentobler schüttelte den Kopf, was waren das nur für Zeiten. Nun gut, London war noch möglich, die machten ja eigentlich auch alles, was eine nette Schweizer Steuerhinterziehungsbank auch macht, aber dieses Wetter, diese langweiligen Hochmoore, dieses ewige Kampfsaufen und die stundenlangen Gespräche über Single Malts, dabei schmeckten die doch alle mehr oder weniger stark nach Torf, auf das jahrhundertelang Schafe gekackt hatten.
Lateinamerika kann man eigentlich auch abhaken, führte Hugentobler seine Weltreise weiter, Brasilien, Chile, da kriegte man als Schweizer Banker auch ziemlich schnell Ärger, Argentinien war ein Schrotthaufen, und die ganzen linken Caudillos in den anderen Ländern, ja pfui Teufel.
Afrika steht ja von den arabischen Irren im Norden über die Desasterstaaten in der Mitte bis zu den oberkriminellen Südafrikanern auch nicht zur Debatte, vielleicht abgesehen von Dubai, aber das kannte Hugentobler wirklich auswendig, und diese Bauerei, die verdarb einem ja auch jeden Spaß. Asien, nun ja, aber da weiß man ja auch nie, Singapur ist ganz okay, aber auch x-mal besucht, und in den übrigen Staaten, wenn da nicht gerade mal ein Tsunami vorbeischaut, dann gibt’s plötzlich und aus heiterem Himmel Radau wie in Thailand, und dann steht man am geschlossenen Flughafen blöd rum und kann nicht mal einen Privatjet mieten.
Indien vielleicht, dachte Hugentobler, Indien könnte was sein, aber mir hängt das ewige Curry nach kurzer Zeit zum Hals raus, und auch da kann es ja vorkommen, dass Hindus und Moslems oder andere Irre plötzlich beschließen, sich massenhaft an die Gurgel zu gehen. Da soll noch einer sagen, die Welt sei kleiner geworden und globalisiert, schwieriger ist sie geworden, das ist alles. Oder Russland? Hugentobler schüttelte es, wenn er an seine russischen Kunden dachte, nein, freiwillig nie. Australien, Neuseeland, Pazifik? Da ist man ja fast einen ganzen Tag im Flieger, die innere Uhr dreht noch Tage nach der Landung in die andere Richtung, also Ferien sollten ja doch auch Erholung sein.
Okay, dachte Hugentobler, die Entscheidung ist gefallen. Er drückte auf die Durchwahl für den Travel Service, Kaderstufe eins und höher, und sagte: »Stellen Sie mir mal fünf Angebote der fünf besten Schweizer Hotels zusammen, Wallis, Tessin, Genfersee, nicht in einer Großstadt, natürlich mit Wellness, Spa, Golfplatz, eine Suite selbstverständlich, KW 37 und 38. Wie bitte? Sie müssen mich auf die Warteliste setzen? Siebzehn solche Anfragen sind noch pendent? Ja Heilandsack, kann man denn nicht mal problemlos in der Schweiz Ferien machen?«
Sechsundachtzig
Äbersold wusste, dass er seinen Konsum von Truffe du jour wieder auf ein seinem Bauchumfang zuträglicheres Niveau herunterschrauben musste. Aber dieses Tütchen gönne ich mir noch, dachte er, denn er war
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