Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
dass der Claim sowohl auf Englisch wie auf Deutsch reiner Schwachsinn war, und das wollte hier sicherlich niemand hören.
Um halb vier rief der Head die Kaffeepause aus, alle außer Fräulein Wichtig fummelten bedeutungsvoll an ihren Blackberrys rum, und der Head dachte, eigentlich sind wir für den Auftritt von CCO Meier bestens gerüstet. Aber statt Meier kam um 15.55 nur eine Message auf alle Blackberrys: »Projekt New Claim on hold, laufen weiter mit ›EL&W, Tax und Audit‹. Taskforce kostenneutral aufgelöst.«
Nicht, dass im Raum jemand davon wirklich erschüttert gewesen wäre, alle verließen mit leisem Schulterzucken den Meetingroom, Fräulein Wichtig sammelte die Papiere ein und räumte die Kaffeetassen weg, der Head kriegte noch einen kleinen Anschiss wegen der fabulösen Honorarnote von Huber, die sich doch immerhin auf zwölftausendfünfhundert ohne MWSt. belief, aber EL&W hatte schon für größeren Schwachsinn Geld versenkt.
So blieb der Welt sowohl der neue englische wie auch der neue deutsche Claim erspart, Huber Werbung musste allerdings als Huber Communication! vier Monate später die Bücher deponieren, nachdem Huber ohne Folgeaufträge von EL&W die Miete für die neuen, repräsentativen Büroräumlichkeiten genauso wenig wie das Leasing für die USM-Möbel oder den Geschäftswagen zahlen konnte. Aber mit Kollateralschäden in der großen, weiten Welt der Claim-Agenturen muss natürlich gerechnet werden.
Dreiundachtzig
Eigentlich, dachte Äbersold, ist alles doch ganz einfach. Der ganze Finanzsektor ist für die Wirtschaft ungefähr so wichtig wie die Schokoladeindustrie, und genüsslich schob er sich ein Truffe du jour in den Mund. Und wenn in einem Land vierzig Prozent der gesamten Firmengewinne von ihm erzielt werden, wie das noch 2006 in den USA der Fall war, dann hat das Land ein größeres Problem. Glücklicherweise kann man Probleme, genauso wie Schokolade, exportieren, sonst wären die Verrückten dort auf ihrem ganzen Hypomüll sitzen geblieben, und die Amis hätten wieder massenweise mit Planwagen in die Prärie fahren dürfen, um sich neue Holzhütten zu schnitzen.
Einfach sagenhaft gut, dachte Äbersold und schob sich die nächsten hellen Truffes rein. Nehmen wir einmal an, es gäbe eine Schweizer Nationalschokoladeanstalt, die den Rohstoff praktisch gratis an Schokoladefabriken verteilt. Die würden dann die ganze Welt mit Osterhasen, Nikoläusen, Torten und Super-King-Size-Schokoladebadewannen überschwemmen und sich dabei dumm und dämlich verdienen.
Genau das Gleiche passiert, wenn die wichtigste Nationalbank der Welt den Rohstoff Geld fast umsonst auf den Markt wirft, statt Schokoladehasen werden dann halt CDO, ABS, MBS, und wie der Kram auch immer heißt, gebastelt, jeder einkommenslose Ex-Knacki, der selbst zum Davonlaufen zu dumm ist, wird zum Hausbesitzer gemacht, risikolos, denn die Hypothek hängt ja am Haus, nicht an ihm. Und wenn selbst die ausgegangen wären, dann hätte man sicherlich durchgesetzt, dass auch jeder Köter, vorausgesetzt, er hat eine Hundemarke, von wegen seriös abgeklärten Sicherheiten, seinen Pfotenabdruck auf eine Besitzurkunde setzen dürfte.
Und dann wurde dieser Schrott gut durchgemixt und in wenigen Jahren für immerhin zehn Billionen, Äbersold schluckte die Truffe beeindruckt runter, für zehntausend Milliarden Dollar in den Markt gedrückt, versehen mit so schönen Schleifchen wie strukturierte Finanzprodukte, durch Immobilien abgesicherte Schuldverschreibungen und was den Kommunikationsfritzen sonst noch alles einfiel. Und statt den Besitzern von Schokoladefabriken verdienten sich Banker krumm und schräg.
Wenn man nur konservativ geschätzt annimmt, dass sie sich zehn Prozent an Kommissionen, Fees, Kickbacks, und wie das alles heißt, abgriffen, kassierten sie eine hübsche, runde Billion Dollar in den letzten drei Jahren. Natürlich zusätzlich zum üppigen Gehalt, wohlgemerkt. Das war, führte Äbersold seinen Gedanken weiter, der größte, allergrößte Raubzug in der gesamten Geschichte der Menschheit, mit Abstand, unerreicht, unvorstellbar. Ehrfürchtig griff Äbersold nach dem nächsten Truffe.
Wenn man davon ausgeht, dass der damit angerichtete Totalschaden bei ungefähr fünftausend Milliarden liegt, von denen die Banken bislang erst weniger als die Hälfte abgeschrieben oder durch Kapitalerhöhungen ausgeglichen haben, dürfen sich alle Investoren, früher einfach Sparer genannt, darauf freuen, nochmals schwer gerupft zu
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