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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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lange dauern, bis sie nichts mehr von uns wissen wird, nichts
von Zigi und mir, auch nichts von euch, von euch schon gar nichts.
    Aja hat vor langem aufgehört zu
sagen, meine Mutter ist eine Filmaufnahme, ich bin die Tochter einer Filmaufnahme,
und wir müssen nicht mehr zu ihr sagen, hör auf damit, nein, Évi ist deine
Mutter. Libelle hat nie mehr etwas geschickt, nie mehr einen Zettel in ein
Kuvert gelegt, aber Aja ist zu ihr gefahren, wann immer sie Lust und Zeit
hatte, sich in Heidelberg in einen Zug nach Südwesten zu setzen, um Libelles
Stimme und Akkordeon zu hören. Diesen Frühling habe ich sie zum ersten Mal
begleitet. Ich habe in der Sonne unter Oleanderbüschen gewartet, bis sie zurückkam
und sagte, sie habe ein Krebshäuflein besucht, aber sie möge dieses
Krebshäuflein, und es sei verrückt, jetzt schon wissen zu können, wie sie in
zwanzig Jahren einmal aussehen werde. Seit einiger Zeit will sie nach New York
fliegen, sie hat Geld gespart, jeden Monat hat sie dafür beiseitegelegt. Sie
sagt, sie will endlich ihr altes Koordinatensystem kennenlernen, also auch den
Ort, zu dem sie als Mädchen all ihre Gedanken geschickt hat. Sie will durch die
Straßenschluchten spazieren und über die hölzerne Promenade von Coney Island.
Sie will sehen, ob der Bus noch fährt, den Zigi damals, als Aja ihre Finger
verlor, an die Küste, hinaus zu diesem Zipfel Land genommen hat.
    Karl hat sich eingerichtet in Rom,
er sagt, er brauche den Lärm der Motorroller und den Dreck vor Ostia. Er hat
sich mit seinen Fotos einen Namen gemacht. Im Winter sind sie in Mailand
gezeigt worden, und Aja und ich sind durch Kirchblüt gelaufen, mit diesem Satz
auf den Lippen, für jeden, der ihn hören wollte oder nicht, Karl Kischs Bilder
werden gerade in Mailand gezeigt. Seine Wohnung liegt in der Nähe der Foren, zu
denen er am Abend geht, um sie mit streunenden Katzen zu teilen, die auf seine
Beine springen, wenn er sich setzt und an einen flachen Stein lehnt. Wenn er
hier ist, gibt er vor, in der Gegend zu arbeiten, obwohl wir wissen, dass es
nur einen Grund gibt, aus dem er hier ist, und er muss uns nicht sagen, dass er
darauf hofft, Évi könne anfangen, wieder Évi zu sein, sie könne aufstehen und
die letzten Jahre mit einer kleinen Bewegung abschütteln, damit sie von ihren
Schultern fallen, und wir könnten die Zeit dann für uns anhalten.
    Ich frage mich oft, was aus ihm
und Aja hätte werden können, wenn Karl geschwiegen hätte, wenn er uns nicht gesagt
hätte, wer den Stein damals durch Ajas Fenster geworfen hatte, wenn er uns
nicht erzählt hätte, was wir ohnehin nicht hatten wissen wollen. Jeden Oktober
kehrt die Frage zu mir zurück, wenn Karl nach Kirchblüt kommt und wir zu dritt
über die herbstnackten Felder laufen, um den kleinen Wolken unseres Atems zu
folgen. Es ist etwas, das mich trägt, nicht bloß durch die Monate ohne Licht
und Grün, und ich bilde mir ein, es trägt auch Karl und Aja, jedenfalls sehen
sie dann so aus, mit ihren roten Wangen und klammen Fingern, wenn sie stehen
bleiben und zurückschauen auf Évis Haus, das den Wind noch immer abwehrt, auf
den Wald mit seinem verborgenen See, auf den Friedhof und die kleine Brücke
über den Klatschmohn, auf die abgesteckten Pfade unserer Kindheit, auf denen
mit uns dreien alles begonnen hat, auf denen überhaupt alles für uns begonnen
hat.
    Erst kürzlich habe ich gehört,
unser Gedächtnis verschiebe sich alle paar Jahre und ordne sich neu. Also
verschiebe auch ich etwas, ein junger Gedanke verdrängt einen älteren, weil
nicht alles gleichzeitig Platz in meinem Kopf hat. Vieles ist jetzt
zurückgekehrt, als habe ich wenig vergessen aus jener Zeit in Évis Garten, als
könne ich diese Bilder auch nicht vergessen, als würden sie ihren Platz in
meinem Gedächtnis nicht räumen und freigeben wollen. Nur der Tag will mir
nicht einfallen, an dem Karl und ich aufgehört haben, mit den Tauben zu
sprechen, obwohl Aja weiter zu ihnen sprach, sosehr ich mich zu erinnern
versuche, er will mir nicht einfallen. Wenn ich an Aja denke, an meine ersten
Tage mit ihr, sehe ich zwei Mädchen über eine Wiese laufen. Das größere
versucht, das kleinere zu heben, bis sie fallen, erst auf dem Bauch, dann auf
dem Rücken landen, mit den Füßen aufstampfen und sich krümmen und biegen vor
Lachen. Es gibt diesen Film von Aja und mir, fünfzehn, vielleicht zwanzig
Sekunden ohne Ton, meine Mutter hat ihn gedreht, es muss in Zigis Sommer
gewesen sein, vielleicht im Sommer

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