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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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dem ich
noch immer glaubte, er wehe nur durch Évis Garten. Ich stellte mir vor, wie Évi
und Zigi jetzt in ihrem Bett lagen, nachdem sie in der Küche das Licht
gelöscht hatten, und dachte, Évi müsse nicht mehr fürchten, Zigi könne am
Morgen aufstehen und sie verlassen. Aja sagte, vor ein paar Tagen habe sie
Angst bekommen, als Évi plötzlich alle Uhren abgenommen und dann nach der Zeit
gefragt hatte, aber als sie später gegangen sei und vom Garten durchs Fenster
geschaut habe, sei ihre Angst verflogen. Évi hatte mit Zigi am Küchentisch
gesessen, vor ihren abgeschlagenen Tassen und dem Stapel Karten, den Zigi an
den Abenden austeilte, um mit Évi die alten Spiele zu spielen. In diesem
Augenblick war sie sicher gewesen, Zigi würde nicht gehen, sie müssten keine
Angst mehr davor haben. Sein Koffer würde unter dem Bett bleiben, und mit jedem
Tag würden sich nur neue Staubflocken auf ihn setzen.
    Anfang Oktober fuhr Karl zurück
nach Rom. Als er sagte, er wolle das erste Herbstlicht nicht versäumen, konnte
ich sehen, wie schwer es Aja fiel, ihn gehen zu lassen, schon an der Art, ihre
Füße ein paarmal schnell durch den Staub zu ziehen und kleine Kreise zu
zeichnen, daran, wie sie zu lachen versuchte, als er sagte, wir würden schon
ohne ihn auskommen, und wenn nicht, in nur zwölf Stunden könne er hier sein.
Ein Freund von Jakob würde ihn bis Bologna mitnehmen, und wir trafen uns
sonntags bei Évi, bevor Karl am Abend in den Zug nach Heidelberg steigen würde,
um von dort loszufahren. Évis Haus war heller und größer geworden, seit wir
aufgeräumt hatten. Es sah aus, als brauche Karls Vater den Kopf nicht mehr
einzuziehen, jetzt, da er durch den schmalen Gang an den Mänteln vorbei zur Küche
ging, um neue Bestellungen an die Leiste zu stecken. Évi schob die kurzen
Gardinen zur Seite und öffnete das Fenster, um Teller und Gläser
herauszureichen, meine Mutter und Ellen wischten über die Tischplatte und
fegten mit dem Handrücken die ersten gelben Blätter weg, die wir als Kinder
zwischen Buchdeckeln gepresst und unter Pergament in ein Kästchen gelegt
hatten. Es roch nach Herbst, nach Most und Quitten. Von Kirchblüt wehte der
Duft frisch geschnittenen Grases herüber, wie ein letzter Gruß an Karl, der in
den letzten Tagen mit Aja und mir immer wieder hatte zum Waldsee gehen wollen,
um auf dem Steg Schuhe und Strümpfe auszuziehen, die Füße ins Wasser zu hängen
und auf das Wispern der Blätter zu hören, wie er sagte, als könne er dann
leichter Abschied nehmen.
    Während Zigi neuen Wein in unsere
Gläser goss, stand Karl am Zaun. Er hatte die Arme ausgebreitet auf die Latten
gelegt und schaute an unseren Linden vorbei zu den Feldern. Hinter dem Weizen
sahen wir drei Kinder nicht weit vom Bahnwärterhäuschen am Feldrain
entlanglaufen. An der Brücke stiegen sie zum Bach hinab und warfen Steine ins
seichte Wasser, kletterten hinauf und rannten über den schmalen Weg weiter,
rissen die Arme nach oben, sprangen hoch und höher, verloren ihre Stiefel,
zogen sie an, drehten sich und fassten einander an den Händen. Der Wind trug
ihr lautes Lachen und ihre hellen Stimmen zu uns. Zigi und Karls Vater hatten
sich zu Karl gestellt, als gebe es etwas zu sehen, das sie nicht verpassen
dürften, und Aja und ich folgten ihren Blicken vom Zaun über den langen
staubigen Weg, in dem die Radspuren der Traktoren in den letzten Tagen hart
geworden waren. Als die Kinder näher kamen, konnten wir erkennen, dass es ein
Junge und zwei Mädchen waren, die langsam am Mais entlanggingen, der hoch stand
und weit über ihre Köpfe ragte, als habe man in diesem Jahr vergessen, ihn
abzutragen. Sie streckten ihre Hände nach den Blättern aus und verschwanden,
jagten einander durchs Feld, bis nach einer Weile alles still blieb und selbst
die Rispen sich nicht mehr rührten. Es sah aus, als seien sie verschluckt
worden, als habe der Mais sie eingesperrt und gebe sie nicht mehr frei, und mit
einem Mal war ich unsicher, ob sie wirklich da gewesen waren oder ich sie mir
nur eingebildet hatte, ob sie ein Bild aus meiner Vorstellung waren, die mir
einen Streich spielte, und das sich an diesem Sonntag vor die Felder gedrängt hatte,
aber dann sprangen sie plötzlich heraus, lachten und winkten und rannten in
ihren bunten Regenstiefeln an uns vorbei.
    Évi hatte das Messer
beiseitegelegt, mit dem sie Brot geschnitten hatte, hatte das Mehl von ihren
Händen geschüttelt, von ihrem dunklen Kleid geklopft, hatte das

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