Bank, Zsuzsa
Fliegengitter
gelöst und war ohne Schuhe die Stufen hinabgestiegen. Sie hatte das
schiefhängende Tor angehoben, die Steinchen durch den Staub gezogen, und war
wenige Schritte den Feldweg hinuntergegangen, als wolle sie den Kindern folgen.
Sie schob zwei ihrer wirren Strähnen unters Tuch, mit dem sie ihr Haar
zurückhielt, stützte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief, als
wolle sie mit dem Ohr die Schulter berühren. Ellen und meine Mutter hatten
still gestanden und auf Évi geschaut, einen Augenblick lang hatte es
ausgesehen, als könnten sie sich nicht bewegen, als hätten sie vergessen, wie
man einen Fuß vor den anderen setzt und dabei vorwärtskommt, aber dann hatten
sie ihre Gläser doch zum Tisch gebracht und den Garten verlassen, um sich neben
Évi zu stellen, die sie auch ohne Schuhe überragte. Die Kinder drehten sich um
und schauten zurück, als hätten sie die falsche Richtung eingeschlagen und
wollten umkehren. Ellen ging ein Stück auf sie zu, aber dann hoben sie nur
Stöcke auf, liefen weiter und entfernten sich langsam. Meine Mutter war Ellen
gefolgt, mit kleinen, zögernden Schritten, bis sie mit Évi in einem losen
Dreieck auf dem Feldweg standen, als hätten sie nichts miteinander zu tun, als
seien unsere Mütter Fremde, die zufällig zur gleichen Zeit auf einem Feldweg
stehen geblieben waren, um drei Kindern nachzuschauen, einem Jungen und zwei
Mädchen, die der Mais soeben verschluckt und ausgespuckt hatte.
Der Wind ließ in diesem Augenblick
nach. Alles was wir hörten, war ein Vogel, der aus Ajas Linde aufflog, ein kleiner
schwarzer, der durch Karls Kopf hätte flattern können. Unsere Mütter standen
noch immer, ohne sich zu rühren. Sie schauten den Kindern lange nach, so lange,
bis sie an der Abzweigung zur größeren Straße hinter zwei Kastanien
verschwanden.
Herbst
Zigi und Évi sind von Sommer zu
Sommer schmaler geworden. Ihre Schultern haben sich zusammengezogen, in den
vergangenen Jahren, in denen sie gemeinsam in einem Haus gelebt und in einem
Zimmer ein Bett geteilt haben, in jeder Nacht des Jahres. Der große Platz ist
kleiner geworden, den sie mit ihren schnellen Schritten nur noch selten
überqueren. Sogar die Kastanienallee mit der Haltestelle, an der Zigi den Bus
so viele Male genommen hat, ist kürzer geworden, wie ein Band, das zusammengesurrt
ist, seit wir es losgelassen haben.
Aja ist jetzt Frau Doktor Kalocs.
Karl und ich nennen sie oft so, eine Ärztin mit drei Fingern an einer Hand, die
sie schon lange nicht mehr versteckt, an der sie aber auch keine Ringe mehr
trägt, seit Karls Ring nie mehr einen Ring getragen hat. Sie arbeitet in der
Neonatologie, noch immer im Kreiskrankenhaus in Kirchblüt. Sie will dort sein,
wo das Leben beginnt, sagt sie, wo es wirklich beginnt, und lässt es klingen,
als wüsste sie, wo das Leben, wo unser Leben beginnt und wo es aufhört. Karl
und ich glauben, Aja will die Kinder vor falschen Müttern schützen. Sie will
sehen, welches Kind zu wem gehört, an jedem Tag will sie prüfen, sind es die
richtigen Eltern, die in den Gängen und vor den Brutkästen sitzen, als müsse
sie verhindern, eines dieser Kinder könne erfahren, was sie erfahren hat. Sie
verbringt die Nächte zwischen winzigen Körpern, die unter Kabeln und Schläuchen
und großen weißen Pflastern versteckt liegen, wandert zwischen Müttern und
Vätern, und es reicht ein Nicken, ein Kopfschütteln, und jemand beginnt zu
weinen. Trotzdem, sagt Aja, würde im ganzen Krankenhaus hier am wenigsten
geweint. Selbst wenn es keine Hoffnung gebe, hier hofften sie. Aja übt sich
nicht mehr darin, ihr Beileid auszudrücken, aber manchmal weint sie ein
bisschen mit. Ich glaube, sie hat das von Évi, sie muss es von Évi haben.
Kirchblüt lässt Aja und mich nicht
los. Wenn es Évi schlechter gehen sollte, wollen wir an keinem anderen Ort
sein. Aja sagt, die kurze Zeit noch, in der sie Fragen stellen und Évi sie
manchmal auch beantworten kann, will sie in Évis Nähe sein. Wenn ihr etwas
einfällt, will sie vom Krankenhaus schnell über den großen Platz und den
Feldweg laufen können, wo Évis Hund, der noch immer keinen Namen hat und den
wir Évis kleiner Hund nennen, obwohl er so groß ist, vor dem Fliegengitter
liegt und aufspringt, sobald er Aja kommen hört. Jetzt, da Évi manchmal am
Abend vergisst, ins Haus zu gehen und am Morgen aufzustehen, aber sich an Dinge
aus einer Zeit erinnert, in der ich Aja noch nicht begegnet war, sagt Aja, es
kann nicht mehr
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