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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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rasiert, und im Spiegel sah ich aus wie ein Wolf. Die Augen waren blutunterlaufen und die Haut krankhaft weiß. Ich zog saubere Kleider an und setzte mich in die Veranda. Nach zwanzig Minuten kam Isabella mit einem Arzt zurück, den ich schon einmal im Viertel gesehen zu haben glaubte.
    »Das ist der Patient. Achten Sie nicht auf seine Worte, er ist ein Schwindler«, verkündete sie.
    Der Arzt warf einen Blick auf mich, um den Grad meiner Feindseligkeit abzuschätzen.
    »Tun Sie, was Sie wollen, Doktor«, forderte ich ihn auf. »Als wäre ich gar nicht vorhanden.«
    Der Arzt begann mit dem raffinierten Ritual, das die Basis der medizinischen Wissenschaft bildet – er maß den Blutdruck, hörte mich überall ab, überprüfte Pupillen und Rachen, stellte mysteriöse Fragen und guckte skeptisch. Als er die Schnitte auf der Brust untersuchte, die mir Irene Sabino mit einem Messer beigebracht hatte, hob er eine Braue und sah mich an.
    »Was ist denn das?«
    »Das bedarf einer langen Erklärung, Doktor.« »Haben Sie das getan?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich werde Ihnen eine Salbe geben, aber ich fürchte, die Narben bleiben.«
    »Ich glaube, das war auch die Absicht.«
    Er setzte seine Untersuchung fort. Ich fügte mich widerstandslos und ließ den Blick auf Isabella ruhen, die von der Tür aus beklommen zuschaute. Da ging mir auf, wie sehr ich sie vermisst hatte und wie sehr ich ihre Gesellschaft schätzte.
    »Was für ein Schrecken«, murmelte sie vorwurfsvoll.
    Der Arzt untersuchte meine Hände und runzelte die Stirn, als er die wunden Fingerkuppen sah. Mit leisem Gemurmel verband er mir einen Finger nach dem anderen.
    »Wie lange haben Sie schon nichts mehr gegessen?« Ich zuckte die Schultern. Er wechselte einen Blick mit Isabella.
    »Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, aber ich möchte Sie spätestens morgen in meiner Praxis untersuchen.«
    »Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, Doktor«, sagte ich.
    »Er wird kommen«, versicherte Isabella.
    »Inzwischen empfehle ich Ihnen, etwas Warmes zu sich zu nehmen, zuerst Brühe und dann etwas Festes, viel Wasser, aber auf keinen Fall Kaffee oder Aufputschmittel – und vor allem Ruhe. Ein wenig an die frische Luft und die Sonne, aber ohne sich anzustrengen. Sie zeigen die klassischen Symptome von Erschöpfung und Dehydration und eine beginnende Anämie.«
    Isabella seufzte.
    »Nichts von Belang«, sagte ich.
    Der Arzt schaute mich zweifelnd an und stand auf.
    »Morgen in meiner Praxis, um vier Uhr nachmittags. Hier habe ich weder die Instrumente noch die Voraussetzungen, um Sie gründlich untersuchen zu können.«
    Er klappte sein Köfferchen zu und verabschiedete sich mit einem freundlichen Gruß von mir. Isabella begleitete ihn zur Tür, und ich hörte sie zwei Minuten lang im Korridor tuscheln. Ich zog mich wieder an und wartete in der Veranda, ganz der folgsame Patient. Dann hörte ich, wie sich die Tür schloss und der Arzt die Treppe hinunterging. Ich wusste, dass Isabella im Vorraum stand und einen Moment wartete, bevor sie zurückkam. Als sie eintrat, empfing ich sie mit einem Lächeln.
    »Ich mache Ihnen etwas zu essen.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Das ist mir egal. Sie werden essen, und danach gehen wir an die frische Luft, Punktum.«
    Sie machte mir eine Brühe, und ich aß sie unter einiger Überwindung mit einem Kanten Brot und einem freundlichen Gesicht, obwohl sie nach Steinen schmeckte. Den leeren Teller hielt ich Isabella unter die Nase, die mich während des Essens wie ein Feldwebel bewacht hatte. Anschließend führte sie mich ins Schlafzimmer, zog einen Mantel aus dem Schrank, stattete mich mit Handschuhen und Schal aus und schob mich zur Tür. Draußen pfiff ein kalter Wind, aber der Himmel leuchtete im Schein der untergehenden Sonne, die die Straßen in bernsteinfarbenes Licht tauchte. Isabella hakte sich bei mir unter, und wir marschierten los.
    »Als wären wir verlobt«, sagte ich.
    »Sehr witzig.«
    Wir gingen zum Ciudadela-Park und dort in die Gärten, die den Umbráculo-Pavillon umgaben. Vor dem großen Brunnen setzten wir uns auf eine Bank.
    »Danke«, murmelte ich.
    Sie gab keine Antwort.
    »Ich habe dich gar nicht gefragt, wie es dir geht«, sagte ich zaghaft.
    »Das ist nichts Neues.« »Wie geht es dir?« Sie zuckte die Achseln.
    »Meine Eltern sind glücklich, dass ich zurück bin. Sie sagen, Sie hätten einen guten Einfluss auf mich gehabt. Wenn die wüssten … Aber wir vertragen uns wirklich besser. Ich sehe sie

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